Gregor Linßen: „Aus der Werkstatt eines Gospelsängers“

Ein Redakteur bezeichnete mich einmal als rheinisch-katholischen Gospelsänger. Mit der Berufsbezeichnung bin ich einverstanden, denn ich habe die dem Rheinländer eigene Freude daran, meine Gedanken über Gott und die Welt völlig frei zu äußern. Ich sehe meine Aufgabe darin, die mir von Gott geschenkte Gabe einzusetzen, um Gott ins Bewußtsein der Menschen zu bringen. Ich begreife mich in der Tradition der ersten Christen zu denen Paulus sagte: „Belehrt und ermahnt euch gegenseitig in aller Weisheit; mit Psalmen, Hymnen und geistlichen Liedern lobsinget Gott voll Dank in eurem Herzen.“ (Kol 3,16).

Dies ist mein Wort. Und dieses Wort ist für mich auch der Kern des Begriffes „NGL“. Niemand hat allein die Weisheit, das Wort Gottes allumfassend zu begreifen. Es bedarf der persönlichen Deutung und dem Austausch untereinander. Die Bibel – das Wort Gottes, an den ich glaube – ist ein menschlicher Erfahrungsschatz, in dem jedes Erlebnis meines Lebens eine Entsprechung findet. Keine Antwort. Eine Entsprechung. Die Bibel ist ein Buch, das jeder selbst aktiv deuten muss, will er seinen Schatz heben. Lieder leiden daran, dass – wie der heilige Augustinus schon bemerkt – oft „mehr der Gesang bewegt als die Sache, welcher der Gesang gilt“. Die Lieder wollen erst bedacht sein, bevor sie gesungen werden. Der Schlüssel zu meinen Liedern ist das Hören auf Sprachrhythmus und -melodie der sinnvoll gesprochenen Sprache. Wer sich mit diesem Sinn einverstanden erklären kann, kann das Lied singen. Das gilt aber nicht nur für meine Lieder, das sollte mit jedem Lied geschehen. Denn die Musik hält Worte im Gedächtnis. Umsomehr sollten diese Worte gut gewählt sein.

Wenn ich im Singen eines Lied eine Botschaft verkünde – nichts anderes heißt Gospel – mache ich mich anfragbar, bezüglich dessen, was ich da singe. Dazu muss ich als Liedermacher bereit sein. Es ist eine Eröffnung zum Gespräch. Das Neue Geistliche Lied hat mich mein Leben begleitet, vom Flötenspiel im Kinderchor über das Singen im Jugendchor, über das siebenjährige Mitwirken in der Gruppe RUHAMA und jetzigen Umherziehen mit der Gruppe AMI bis zum Beruf des Liedermachers und Dozenten für NGL.
Es ist für mich ein Glück, eine Berufung gefunden zu haben, die sich realisieren ließ. Ohne eine Mäzenin – meine Frau Monika – und meinen ständigen Fragezeichen – meinen Kindern Jonas und Max – wäre dies allerdings sicher nicht gelungen. Meine Lieder haben so auch immer einen persönlichen Kern.
Das NGL-Oratorium „ADAM – Die Suche nach dem Menschen“ hat die letzten zwei Jahre mein Denken beschäftigt. Wie ein losgelassenes Kind liegen nun meine Gedanken schwarz auf weiß und sogar anzuhören vor mir. Ich denke nicht mehr darüber nach. Ich werde mit meiner Meinung konfrontiert werden. Die Gespräche laufen schon, mit oder ohne mich. Das klingt gefährlich. Etwas zu sagen, ist immer gefährlich. Aber nur so kann eine Kommunikation über Gott und die Welt in Gang kommen. Und das ist ja, was ich möchte: Gott ins Gespräch bringen.

Wie es weitergeht? Es sind neue Anfragen zum Denken da. Ein Wallfahrtslied ist zu schreiben. Diesmal für die Kölner Ministranten. Das Wallfahrtswort heißt „Quo vadis?“. Das Warten beginnt. Welche Worte fallen mir ein? Was ist das wichtigste davon, welches ist davon „dran“? Spätestens in Rom wird das Lied fertig sein müssen…