Klaus Simon: Die subversiv – erneuernde Kraft von „Glaubens- und Lebensliedern“

Glauben und Leben miteinander zu verbinden und so den Himmel zu erden, das ist das Anliegen meiner Lieder. Deshalb nenne ich sie „Glaubens- und Lebenslieder“. „Neue Geistliche Lieder“ sind sie trotzdem, aber sie beschränken sich nicht auf den Einsatz in Gottesdiensten, sondern wirken weit darüber hinaus mitten ins Leben und in Kirche hinein: Ein „Glaubens- und Lebenslied“ spricht Gefühle an, ermöglicht Zugänge in die Herzen der Menschen und wirkt so „subversiv – erneuernd“: individuell – persönlich, aber auch strukturell – kirchlich. Wird es nicht nur gesungen und gespielt, sondern auch noch getanzt, dann ist die ganzheitliche Wirkung perfekt.

Wie komme ich zu solchen Thesen?
Ich beginne „von vorne“:
1954 erblicke ich als ältester Sohn zweier Kirchenorgel spielender Elternteile in Bad Kissingen des Licht der Welt. Als Junge von 9 Jahren beginne ich meine musikalische Laufbahn in der Kinderschola in Kahl am Main mit dem Singen von Psalmen und Liedern aus dem alten Kirchengesangbuch „Ave Maria“. Meine kirchliche Sozialisierung läuft also erstmal voll traditionell – kirchenmusikalisch.

Nach Klavier- und Kirchenorgel-Unterricht bin ich dann selbst mit 14 Jahren der Kinderscholaleiter für die nächsten 10 Jahre. Ich komme über Jugendseelsorger und Jazzmessen in den sechziger Jahren erstmals mit kirchenerneuernden NGL in Berührung.
Somit gehöre ich fast zum „Urgestein“ des NGL. Sechzehnjährig gründe ich aus einer KJG – Jugendgruppe heraus mit meinem nächstjüngeren Bruder Hermann und drei anderen Jugendlichen „opusculum“, eine NGL – Kirchenband, Rockgruppe und Tanzmusik-Combo (1970-1980) in Kahl/M. Für diese erfinde ich Arrangements, höre Coversongs ab und schreibe dafür die Noten auf. Ich spiele Hammondorgel und Klavier, teils auch Gitarre und Bass. Wir gestalten ungezählte Gottesdienste mit NGL – auch mit ein paar eignenen Instrumentalstücken auf „Play-Bach-Basis“. NGL steht in diesen Jahren für „subversiv“ gegen eine festgefahrene Amtskirchenstruktur, traditionelle Kirchenmusik und Gottesdienstformen. Wenn eine Band spielt, strömen die Massen in die Kirchenräume und stimmen so mit den Füßen ab für eine offene, zukunftsfähige Kirche(nmusik) und Eucharistiefeier. NGL-Musik wirkt intensiv kirchenerneuernd.

Während des Theologiestudiums in Würzburg besuche ich einen D-Kurs für Kirchenorgel (1981/82). Meine Diplomarbeit und Zulassungsarbeit zur zweiten Dienstprüfung bei Prof. Rolf Zerfaß (Pastoraltheologie) gehen beide über Neue Geistliche Lieder, deren pastorale Wirkung und liturgische Möglichkeiten (1979/1984) in Gemeinde, kirchlicher Jugendarbeit und Religionsunterricht. Die Arbeiten unterstreichen die Wichtigkeit von NGL-Musik im kirchlichen Leben über Gottesdienste hinaus.

Als Diplomtheologe (1979) werde ich Pastoralreferent im kirchlichen Dienst der Diözese Würzburg. Ich gründe – wiederum mit meinem Bruder Hermann – und vier weiteren StudentInnen die Musikgruppe „Taktwechsel“ (1980) in Würzburg und werde als Tastenspieler deren musikalischer und managementmäßiger Leiter. „Taktwechsel“ animiert mich, meinen Bruder Hermann und andere Bandmitglieder zum Schreiben von mittlerweile ca. 130 eigenen „Glaubens- und Lebensliedern“ und steht auch vom Bandnamen her für Erneuerung von Kirche und Kirchenmusik im Sinne des II. Vaticanums und der Würzburger Synode, die während meines Studiums in Würzburg stattfand.

Nach zunächst ehrenamtlicher Zusammenarbeit mit BJA, Kolpingwerk und Domschule bei NGL – Tagungen im Bistum Würzburg arbeite ich freiberuflich auch als NGL-Referent bei Tagungen im Erzbistum München/Josefsthal und gebe mit Norbert und Gertrud Weidinger und einem Autorenteam das beliebte NGL-Liederbuch samt Demo-MC´s und Liedkartei „Wellenbrecher“ für den DKV München heraus.

„Taktwechsel“ wirkt mittlerweile im NGL-Bereich/Liturgischer Tanz auf Katholikentagen (1984 München, 1986 Aachen, 1990 Karlsruhe, 1998 Mainz) zusammen mit Gertrud Prem (Tanzpädagogin München) in die bundsweite NGL-Szene hinein. Die Taktwechsel – MC-Produktionen „Das Leben tanzen 1-3“ mit Werkheft/Tanzanleitungen für liturgische Tänze (Gertrud Prem, München) werden im deutschsprachigen Sprachraum zu Vorreitern und Klassikern für Liturgischen Tanz. Drei MC – und fünf CD – Produktionen mit eigenen Liedern samt Notenheften folgen. In den mittlerweile 25 Jahren geben wir ungezählte Konzerte in und außerhalb des Bistums Würzburg und gestalten Gottesdienste „taktwechslend“ mit.
Unsere Musikgruppe wird zum „Flaggschiff“ für die NGL-Szene im Bistum Würzburg. Weitere Infos finden sich unter www.taktwechsel.de.

Seit 1990 bin ich Leiter des AK NGL in der Diözese Würzburg und gleichzeitig hauptamtlich Referent für Neues Geistliches Lied bei der Domschule/Hauptabteilung 4 – Außerschulische Bildung. Die NGL-Tagungen „Andere Lieder wollen wir … singen, spielen tanzen“ und die Tagungsreihe „Rock my Soul“ ab 2000, der Aufbau der Noto-/Phonothek NGL in den Medienstellen des Bistums Würzburg, die Herausgabe des Sonn-Takts-Blatts (Rundbrief der Bands und Chöre im Bistum Würzburg), die Organisation des AUFTAKT-Treffens für Ansprechpartner der Bands und Chöre, die Organisation der Festivals „Rock my Soul 1997/2000“ in Zusammenarbeit mit der Würzburger Abteilung Kirchenmusik, dem Bisch. Jugendamt, der Domschule und der HA 4, die Einrichtung der Internetseite www.bands.bistum-wuerzburg.de und die Mitarbeit auf NGL-Bundesebene (Jugendhaus Düsseldorf afj/Andreas Büsch/Dr. Peter Hahnen) sind einige wichtige Meilensteine in meiner NGL-Arbeit, aber auch in der NGL-Szene des Bistums Würzburg und darüber hinaus.

Mit der zweiten Hälfte meiner Stelle als Pastoralreferent arbeite ich im Pfarrverband Gemünden, leite dort auch zwei NGL – Gruppen und biete für kirchenfernere Menschen einen Out-of-church-Musikgottesdienst außerhalb von kirchlichen Räumen an (www.pv-gemuenden.de), der im wesentlichen von Neuen Geistlichen Liedern und deren Botschaften geprägt ist.

Privat bin ich verheiratet mit meiner Frau Claudia, habe zusammen mit ihr drei Kinder und lebe in Gräfendorf im Saaletal (zwischen Hammelburg und Gemünden). Seit einigen Jahren ist auch Claudia bei „Taktwechsel“ als Sängerin, Percussionfrau und Tänzerin dabei.

So bin ich mit meinen eigenen Glaubens- und Lebensliedern bei „Taktwechsel“ ehrenamtlich und privat, aber als NGL-Referent auch hauptamtlich eng mit dem NGL verbunden und schätze bis zum heutigen Tag diese Musik als durchtragende Kraft durch mein Leben – spirituell, aber auch kirchenerneuernd wirksam. Je mehr sich allerdings NGL von der traditionellen Kirchenmusik in Gotteslobanhängen archivieren und durch Kirchenorgel-begleitung bis zur Unkenntlichkeit sound- und rhythmusmäßig verunstalten lässt, desto mehr verliert es diese kirchenerneuernde Wirksamkeit und seine subversive Kraft. Wird so mit der Zeit aus NGL ein AGL (Altes Geistliches Lied)?