Markus Schöllhorn: „Meine NGL-Geschichte“

Pfälzer Wald, Mitte der 70er – der kleine Markus befindet sich mit seinem Vater auf einer Vater-Sohn-Tour durch diverse Jugendherbergen. Unterwegs lernen wir „Die Erde ist schön, es liebt sie der Herr“ und auch „Ich möchte singen vor lauter Freude“.
Diese Lieder sind so ziemlich die ersten NGLs, an die ich mich wirklich erinnern kann. Kurz darauf gründete mein Vater 1979 einen Jugendchor, das „Coeurchen“. In seiner Plattensammlung befand sich wirklich JEDE LP von Peter Janssens, Gen Rosso, die frühen Beatmessen der 60er und unzähligen andere singende Priester. Später auch Ludger Edelkötter, die Gruppe Kontakte und andere Gruppen.
Mein Vater hörte sich alle an, markierte potentiell geeignete Lieder mit einem Klebepunkt auf der LP-Hülle und spielte mir die Lieder dann vor.
Anfang der 80er durfte ich dann auch mit im Coeurchen singen – zunächst als Knabensopran, dann, mit Einsetzen des Stimmbruchs, bin ich in den Alt und später in den Tenor „aufgestiegen“.

Ich machte früh die Erfahrung, dass Gottesdienste mit den „rhythmischen Liedern“ eine ungleich höhere Energie und Begeisterung frei setzen konnten als die lateinischen Messen, die ich im Kinderchor einmal im Monat sang.

So wuchs ich von je her zweigleisig auf. Die traditionelle Kirchenmusik hat mich auch später noch lange begleitet in vielen sehr guten Kammer- und Konzertchören. Auch diese Chormusik kann unglaublich berühren. Aber mein Herz hing schon immer mehr am NGL.

Mit ca. 13 Jahren fing ich an, Gitarre zu spielen. Bald schon befand ich mich in der Combo des Coeurchens.

Ein wichtiger Meilenstein für meinen Weg in Richtung NGL und Bandleader war 1988, meine Facharbeit in Musik. Das für das Fach MUSIK ziemlich außergewöhnliche Thema war: „Ausarbeitung und Gestaltung eines ökumenischen Schulabschlussgottesdienstes“.
Nachdem mir mein Musiklehrer dieses Thema vorgeschlagen hatte, bekam er wohl doch etwas kalte Füße, aber ich habe das damals durchgezogen. Zusammen mit den ev. und kath. Relilehrern planten wir den Gottesdienst. Ich suchte dazu die passenden NGLs aus von Peter Janssens über Manfred Siebald bis Arno und Andreas.
Ich schrieb Arrangements (damals noch per Hand, ohne Notensatzprogramm).
Danach trommelte ich mir von meinen musikalischen Schulkameraden und außerschulischen Freunden eine richtig gute Band zusammen, einen Chor, Solisten. Wir probten gemeinsam. Ich kümmerte mich erstmals alleine um eine PA-Anlage, baute sie auf (wobei beim Transport der Anlage der VW-Bus von mir als blutigem Fahranfänger eine Schramme davon trug).
In der wunderschönen vollbesetzten Stiftskirche in Landau (die schon 500 Jahre zuvor lobend von Heinrich Schütz erwähnt wurde) erklang erstmals in einem Schulgottesdienst eine Band mit Chor.
Ich, völlig ungewohnt, nicht an der Gitarre sondern als Dirigent vorne am Pult.
Und erstmals gab es lang anhaltendenden Applaus nach einem Gottesdienst. Und wieder spürte ich die Energie, die moderne Lieder, gut interpretiert, bei der Gemeinde frei setzen kann. Erstmals war die Gemeinde auch wirklich als GEMEINSCHAFT zu spüren und nicht als verstreut im Kirchenraum sitzende Einzelpersonen.

1991 verschlug es mich zur Ausbildung nach Mainz. Zunächst pendelte ich noch jedes Wochenende nach Landau, um weiter beim Coeurchen mit zu spielen.
Aber irgendwann beschloss ich, dass die Zeit des Pendelns vorbei sei und ich mir jetzt was in Mainz suchen möchte. An der KHG in Mainz hing ein Aushang: „Musiker, Komponisten und Arrangeure für Musicalprojekt gesucht.“
Das interessierte mich. Ich hatte noch nie ernsthaft eigene Lieder geschrieben. Aber in diesem kreativen Team – alles blutige Anfänger in Sachen Band, Musical, komponieren – machten wir in dem einen Jahr intensiver Arbeit an unserem Musical „Albertus – Was weiß ich von Gott?“ unsere Erfahrungen in Richtung Band, arrangieren, Technik für ein Großprojekt und vor allem Zeitmanagement und effektiver Probenarbeit.
Die Zeit der Arbeit an dem Musical prägte uns sehr. Aus der verschworenen Gemeinschaft entstand 1994 nach dem Musical dann die Band KREUZ & quer – zunächst noch als Pfarrband ohne Namen.

1998 war der Deutsche Katholikentag in Mainz zu Gast. Das nahmen wir zum Anlass, wieder selbst eigene Songs zu schreiben, statt wie bislang „nur“ fremde NGLs zu covern. Es entstand die Rockmesse „Spuren der Hoffnung“, die auch in Auszügen im ZDF während eines Fernsehgottesdienstes erklang. Im Tonstudio wurden dann erste Erfahrungen gesammelt, wie man eine große Band inkl. 6 SängerInnen, Streicher und Brass Section organisiert und aufnimmt.

Nach der Teilnahme am Mainzer Katholikentag und unserer ersten CD-Produktion waren wir seither auf fast allen Katholikentagen und etlichen Kirchentagen dabei und fanden uns regelmäßig in diversen Tonstudios wieder um neue Alben zu produzieren.
Im Laufe von mittlerweile mehr als 20 Jahren Banderfahrung habe ich schon unzählige große und kleine Gottesdienste in allen möglichen Gemeinden erlebt. Tolle Erlebnisse, aber auch Erfahrungen, wie ich mir einen Gottesdienst NICHT wünsche. Aber immer wieder erlebe ich die Freude und die Dankbarkeit der Gemeinde, wenn sie aktiv zum Mitmachen eingeladen wird, wenn so musiziert wird, dass ein Mitsingen leicht gemacht wird.
So ist dann auch mein eigener Kompositionsstil geprägt. Schlicht aber nicht simpel. Leicht eingängig ohne langweilig zu sein.

In den letzten 40 Jahren hatte ich auch etliche Kontakte zu anderen Musikrichtungen. In den 80ern zu den evangelischen Jugendchorliedern, später dann auch Lobpreis, Worship und auch Gospel. Es ist mal interessant, diese Richtungen zu hören oder zu musizieren. Aber so richtig wohl gefühlt habe ich mich bei dieser Musik nicht.
Die Gesänge aus Taizé, haben mich allerdings durchaus stark geprägt. Sie sind weniger Musik als gesungene Meditationen. Selten kann ich mich so fallenlassen wie bei einem Gebet, wenn tausende Menschen gleichzeitig diese einfachen Gesänge immer und immer wieder wiederholen.
Aber keine Richtung hat mich so stark geprägt wie das Neue Geistliche Lied, vor allem, wenn die Texte nicht nur seicht an der Oberfläche bleiben sondern eine klare gesellschaftliche oder politische Aussage haben.

Das NGL ist schon von vielen Kritikern totgesagt worden. Wenn ich mir allerdings anschaue, in wie vielen Gemeinden immer wieder in Familien- oder Jugendgottesdiensten NGL gesungen werden, die vielen Laienbands, die NGL spielen, oder die vielen guten Lieder, die jedes Jahr neu entstehen, glaube ich, dass das NGL noch lange nicht tot ist.