Magazinarchiv: 2005

Das Saxophon

Instrumente im NGL


Luft streicht über Holz und wird, filigran verwunden, zum Saxo-ton

Krächzend und schreiend, aber auch warm und sanft sinnierend – Facetten eines äußerst interessanten, weil eben so vielseitig einsetzbaren Instruments: des Saxophons. Heute ist es längst in vielen Bereichen etabliert, findet es von Klassik über Jazz bis zu Rock und Soul breite Verwendung. Woher kommt aber nun das Instrument eigentlich und worin zeichnet es sich v.a. im Hinblick auf das sog. NGL aus?

ZUR GESCHICHTE des Saxophons:
Der Allround-Erfinder Adolphe Sax wollte v.a. für die Marschmusik ein Instrument schaffen, das die Lautstärke eines Blechblasinstrumentes mit der Klangfarbe von Holzbläsern (der Ton wird durch ein in Schwingung versetztes Rohrblatt erzeugt) verbindet, und schuf so um 1840 das erste ‚Sax-o-phone‘; bis 1855, als erstmals dieser Name offiziell auftaucht, gab es neun verschiedene Modelle, von denen sich das bis heute bekannte Quartett durchsetzte. Mit seiner verfeinerten Klappentechnik ermöglicht das Instrument eine große Virtuosität und erlangte damit auch Bedeutung in der Klassik. Bis die Saxophone tatsächlich im Jazz des 20. Jahrhunderts allgemeine Verbreitung fanden, war ihr Erfinder längst arm und kaum beachtet verstorben (1894). Die heutige Saxophonfamilie besteht aus Sopran- und Tenorsaxophon (beide einen Ton nach unten transponierend – der Schüler lernt eine einfach zu bedienende ‚C-Dur‘-Tonleiter etc., die in Wirklichkeit als B-Dur erklingt) bzw.Alt- und Baritonsaxophon (transponierend in Es); daneben gibt es heute auch ethnische Varianten wie das allerdings recht kompliziert zu greifende ‚Maui-Xaphoon‘ von Brian Lee Wittman aus Hawaii. Vor allem Alt und Tenor sind weit verbreitet, weil sie eine gute Mittellage haben, die eigentlich für alle Stile gleichermaßen gut einsetzbar ist, während das Sopran etwas schrill bzw. intonatorisch sehr unsicher und das Bariton sehr tief und meist etwas unbeholfen röhrend klingt.
Die bekanntesten Marken entwickelten die höchst angesehene, traditionsreiche Firma ‚Selmer‘ Paris (nicht ganz billig, aber das Geld wert!) sowie die immer stärker auf den Markt drängenden Unternehmen ‚Yamaha‘ – vom Anfänger- bis zum Profi-Instrument – und ‚Yanagisawa‘ im oberen Preissegment; aber auch die Billig-Saxophone von ‚Boston‘ oder ‚Jupiter‘ haben inzwischen ihren Ruf verbessern können.

ALLGEMEINE PROBLEME des Instruments:
Unter 1000 Euro wird man kaum ein vernünftiges neues erwerben können – und Leihinstrumente sind im Bläserbereich naturgemäß nicht so häufig. Dazu ist die Grifftechnik zwar recht einfach und ähnelt der C-Blockflöte, aber wie dort erreicht auch hier der Tonumfang nur gut 2 Oktaven, von für den Anfänger unerreichbaren (überblasenen) Flageolett-Tönen abgesehen.
Außerdem muss die Tonerzeugung mittels eines Rohrblattes erst relativ aufwändig gelernt werden und bedarf praktisch täglichen Trainings (sonst ist u. U. nach oft nur einer Viertelstunde Spiel die Gesichtsmuskulatur erschlafft und Luft dringt neben dem Mundstück nach außen – bzw. es gibt wegen MeV 3/05 MeV 3/05 zu starken Pressens der Unterlippe auf das Blatt wirklich nervige Pfeiftöne). Und da die Instrumente transponieren, muss der Spieler immer andere Tonarten als die der klingend notierten Instrumente spielen: Bei Sopran und Tenor in B-Stimmung muss man jeweils einen Ganzton höher spielen als in einer C-Stimme notiert (das ist also eine Verbesserung bei den b-Tonarten – zwei Vorzeichen weniger -, aber eine Verschlechterung bei den Kreuz-Tonarten – zwei Vorzeichen mehr!); entweder man kann im Kopf einen Ton höher denken oder man braucht eine eigene BStimme!
Bei den Es-Instrumenten ist ein Transponieren im Kopf kaum noch möglich (eine kleine Terz nach unten), das Zusammenspiel mit anderen Musikern wird also wirklich erschwert!

JAZZ UND POP:
Der Übergang zum Jazz öffnete dem Saxophon schließlich den Weg zur solistischen Improvisation, d.h. zum freien Spiel nach festgelegten Akkordfolgen (Kadenzen und – das ganze Stück umfassend – Riffs) bzw. tradierten Skalen (z.B. im Blues) mit genau festgelegten Tonleitertönen, die von den Stufenvierklängen ausgehen und mit den zu ergänzenden Verbindungstönen die modalen Skalen bzw. Kirchentonarten bilden (für C-Dur:
II/d7: ‚dorisch‘, V/G7:’mixolydisch‘ u.ä.). Nun tritt also der Spieler immer öfter aus dem homophonen Satz der anderen, vergleichbaren Instrumente heraus(wie z.B. im typischen Sound der Swing Ära – Glenn Miller u.ä. – mit einer Kombination von Saxophonen und Klarinetten) und spielt als Solist freie, im Moment des Spiels aus Gefühl und Musikalität geschaffene Tonfolgen; einige wichtige jüngere Vertreter der Improvisationskunst sind z.B. John Coltrane oder Stan Getz etc.. Das Repertoire reicht nun von fast schon vokalen Melodielinien gefühlvoller Balladen bis hin zum rauen, ungeschlachten Ton z.B. im Hard Bop. Das Instrument wird nun bald auch in anderen Musikrichtungen wie in Latin und Reggae (hier aber eher im Bläsersatz), als Soloinstrument auch im Contemporary Gospel eingesetzt. Bemerkenswert ist außerdem das sehr impressive Spiel, das Weinen und Lachen, Flüstern und Schreien des Saxophons in der Klezmer-Musik des osteuropäischen Judentums. Und in der Popmusik? Geschätzt wird die erdige Klangfülle, das Volumen des Instruments und seine vielseitigen ausdrucksmöglichkeiten (je nach Blattstärke mehr oder weniger möglich – je dicker das Rohrblatt, desto gerader und undifferenzierter, aber auch sauberer und wärmer im Ton; viele spielen in Jazz und Pop sehr dünne Blätter der Stärke 1 1⁄2 bis 2 und verwenden dazu noch besondere Fieberglasmundstücke, um den Ton scharf, aber auch flexibel in der Tonhöhe spielen zu können). Das Problem im selten rein instrumentalen, sondern meist vokal orientierten Pop:
Der Saxophon-Solist spielt, weil doch sehr dominant, nicht das ganze Stück hindurch, sondern steht eben meist untätig herum (während der Sänger den Song interpretiert), bis er endlich wieder einmal ein Intro, Zwischenspiel oder eine Improvisation über ein komplettes Riff spielen darf; Überstimmen gibt es kaum, weil sie eben der Wirkung des Gesangs wegen der Dominanz und eigenen interpretatorischen Kraft des Instruments entgegenstehen könnten. Ansonsten hat der Saxophonist seine Aufgabe in meist auskomponierten rhythmischen Bläsereinwürfen im Verbund mit den Blechbläsern (z.B. bei Wolfgang Buck, dem fränkischen Pop-Barden).

In diesen beiden Spielarten wird das Saxophon auch im NGL eingesetzt: der Bläsersatz fand z.B. im Dixiestil der ersten Spiritualmessen oder in der ‚Ersten Duisburger Messe‘ von Peter Janssens 1965 Verwendung (seither aber kaum noch); solistische Beispiele sind heute die Bandarrangements von ‚Ruhama‘ aus Köln mit ihren auskomponierten Saxophonstimmen, aber auch die atmosphärisch sehr dichte improvisierte Meditationsmusik von Wolfgang Cimander zum ökumenischen Jugendkreuzweg 2005 oder jüngst die mit einem jazzig-klezmerhaften Sopransaxophon unterlegten Arrangements des klassischen Kirchenmusikers und Jazzers (vgl. die CD ‚Bach-Jazz‘ 1999) Thomas Gabriel aus Mainz zu Vigil und Abschlussgottesdienst des Weltjugendtages auf dem Kölner Marienfeld. Obwohl im letztgenannten Fall natürlich ein Profi-Musiker spielte (und im NGL normalerweise in den Gemeinden eher Laien mit mehr oder weniger soliden Kenntnissen ihres Instruments), traten doch z.T. oben schon genannte Probleme des Instrumentes auf (beim Einsatz auf dem Marienfeld v.a. das penetrante Dauerspiel, das oft Gesang und Bandarrangement nicht nur akustisch vollkommen zudeckte – die Abwechslung macht’s). Im NGL muss man also beim solistischen Saxophon besonders achten auf die bereits erwähnte Dominanz des Instruments in der Band (noch dazu in hochakustischen Kirchenräumen; ein dezentes, unverstärktes Spiel ist oft am besten) bzw. das Überfrachten der Arrangements (wie beim WJT; besonders im Gottesdienst geht es um das Mitsingen der Gottesdienstgemeinde, die oft erst einmal die Melodien kennen lernen muss und sich daher durch ständig variierende Überstimmen eines übereifrigen Spielers gestört fühlt) sowie auf die nicht selten bei Laien kritische Intonation des Instruments (wegen seiner Flexibilität im Tonansatz, einem Pluspunkt z.B. beim Blasen von sog. blue notes im Jazz – in Pop und NGL sind aber saubere Töne verlangt, und gerade Anfänger im Instrument liegen gerne zu tief). Andererseits kann man den Bigband-Stil mit seinen Bläsersätzen und -einwürfen einfach wegen der konkreten Begrenztheiten in den Pfarrg Gemeinden nur äußerst selten einsetzen (in der neueren Literatur z.B. aber doch im Satz tr/sax/trb bei Thomas Gabriel in seiner extravaganten Sammlung ‚Gregorianik und Jazz‘ im Strube-Verlag München 2000, die allerdings ohnehin eher für ein Profi-Ensemble geschrieben wurde).

Daneben taucht immer häufiger in der Praxis auch eine Unterlegung von NGL mit Bläsersatz für kleines Orchester oder Posaunenchor auf (in der evangelischen Kirche sehr üblich; gute Pop-Arrangements zu Chorälen u.a. aus dem aktuellen Gesangbuch finden sich in der Sammlung ‚Das ist ein köstlich Ding‘ von Michael Schütz bei Strube 1999 – sie müssen natürlich mit dem entsprechenden cool-relaxten ‚Pop-Feeling‘ gespielt werden, damit sie wirklich überzeugen; das Alt- bzw. Tenorsaxophon kann im Bläsersatz zusammen mit Trompete und Posaune in der entsprechenden Stimmlage verwendet werden).

AUS DER KONKRETEN PRAXIS:
Meist werden in den Gemeinden Arrangements im Baukastenprinzip gesucht, die auch für kleine Besetzungen geeignet sind (und solche Sammlungen gibt es bisher wenig). Wir von der ‚Werkstatt NGL‘ in der Erzdiözese Bamberg bringen z.B. inzwischen ein jährlich erscheinendes, für die Praxis (und unsere Kurse)entwickeltes Arrangementheft heraus, das immer wieder auch Bläsersätze und Vorschläge für begleitende bzw. solistische Einzelstimmen enthält.

Die von uns angebotene Fortbildung bei den Workshops des alljährlichen ‚Festivals religiöser Lieder‘ auf Burg
Feuerstein schult die Musiker z.B. in der Improvisation: Wir klopfen einen Rhythmus und die Teilnehmer spielen rhythmisch variierte Einzeltöne, die später zu kleinen freien Melodien (mit nur drei Tönen) erweitert werden – oder wir werfen uns im Frage-Antwort-Spiel musikalische ‚Bälle‘ im Kreis zu (bei gleichzeitigem Seitschritt der Teilnehmer im gleichmäßigen Takt); schließlich gehen wir über zu freiem Spiel im Quint- oder maximal Oktavumfang auf die von einem begleitenden Klavier gespielte infache Kadenz II (Mollakkord mit Septe) – V (mit Septe) – I (mit großer Septe) o.ä. (vgl. die Übungen in diversen Improvisationsschulen) und nehmen dann auch feste Jazz-Skalen hinzu. Es geht vor allem darum Ängste zu überwinden, seine eigenen Gefühle und Stimmungen in Musik umzusetzen und anderen vorzuspielen (eine gelungene Anleitung in dieser Richtung ist z.B. auch Helmut Eisels “Durch Klezmermusik zur Improvisation‘ bei Westpark Köln 2000). Freilich arbeiten wir auch mit ausnotierten Einzelstimmen, die als Anregung und Vorbild dienen, und spielen im Plenum auch komplett notierte rhythmische Bläsersätze bzw. trainieren auch, ausgehend von Percussion-Übungen, den möglichst knackigen Einwurf auf dem Off-Beat im Achtel-Puls. Das Problem des Transponierens (und den Mangel an B-Tonarten im NGL) versuchen wir mit dem Üben einfacher Melodien von verschiedenen Ausgangstönen aus (auswendig und nach Noten – v.a. in den Kreuztonarten) in den Griff zu bekommen, um später einmal zumindest bei den B-Instrumenten vom Blatt weg das spontan um einen Ton nach oben versetzte Spiel ermöglichen zu können.
Zur Pflege einer guten Intonation dient schließlich die Kombination des Saxophons mit anderen Blasinstrumenten (von der Querflöte über die Klarinette 8 MeV 3/05 MeV 3/05 bis hin zu Trompete und Posaune) im Ensemble; oft lassen sich zur Begleitung eines NGL sogar Chor- oder Orgelsätze heranziehen (z.B. in der Besetzung SATB = fl/clar/ten-sax/trb).

FAZIT:
DAS SAXOPHON einzubeziehen ist sicher ein nicht ganz einfaches, aber doch sehr bereicherndes Unterfangen, das sich in jedem Fall lohnt, wenn ein Musiker mit Talent, Gespür für den jeweiligen Musikstil und entsprechendem Können zur Verfügung steht! Und: Weniger ist mehr – d.h. der Einsatz des Saxophons sollte bewusst gesetzt werden und ein wichtiges, aber nicht das einzige, alles bestimmende Element im NGL darstellen!

AUSNOTIERTE BEISPIELE aus unserer Arbeit:

Bernd Hackl
ist Gymnasiallehrer und Referent für das Neue Geistliche Lied in der Erzdiözese Bamberg; nähere Informationen zur Arbeit der ‚Werkstatt NGL‘ der Erzdiözese Bamberg unter
http://www.ngl-bamberg.de

Bezug von Notenmaterial u.ä. per Mail:
ngl@stadtkirche-nuernberg.de
oder Tel.: 0911/24449-464