Magazinarchiv: 2002

„Voll konG’red, ey!‘-

Sprache und Musik

Hinter dieser Headline versteckt sich das Thema der diesjährigen Studientagung für Jugendseelsorge im Kloster Windberg, die sich mit Kommunikationsformen von und mit Jugendlichen befasste.

Ein Workshop am zweiten Tag trug den Titel „Die (Un)Möglichkeit der Christlichen Botschaft in den Charts-Sprache und Musik‘. Referent war Jürgen Zach von MeV.

Schon lange interessiert mich die aktuelle Entwicklung der christlich inspirierten Popularmusik (ich nenne sie aus Platzgründen einfach X-Pop) und die aktuelle Bekenntniswelle in den Charts zu religiösen Themen.

Umfragen in Studien belegen immer wieder, dass Musik zur Sprache der jungen Generation geworden ist. Die Musikwirtschaft sucht ständig nach neuen Formen, dieser Entwicklung aus marktwirtschaftlichen Gründen Rechnung zu tragen und die Altersgruppe zwischen 20 und 40 anzusprechen. Zugleich ist dies aber auch die Gruppe, die von den Kirchen nur schwer erreicht wird oder ihr freundlich distanziert gegenüber steht. Trotzdem: die Gospelwelle, war in den 90er Jahren die sich am schnellsten verbreitende Musikrichtung in den USA und brandet jetzt auch in Deutschland an.

Doch was ist mit der Szene christlicher Popularmusik und NGL in Deutschland? Aufgrund ihrer Geschichte erreicht sie säkulare Hörerspektren nicht, obwohl ihr Stellenwert deutlich steigen müßte, spricht sie doch die musikalische Sprache der Gegenwart, zumindest bei jungen Generation. Es müßte mehr Wert auf Musikverkündigung gelegt werden und die Art der unterhaltsamen Verkündigung
charakterisiert eine neue Qualitätsnorm in Theologie und Kirche (s. Dr. Winfried Dalferth).

Doch das Thema ist viel weiter…
Mittlerweile hat das Bekenntnis zur Religiosität in der säkularen bundesdeutschen Musikszene einen gewissen Chic und beschert keine Umsatzeinbu-ßen.
Waren es vor Jahren nur einzelne (internationale) Interpreten, die ihre (nicht nur positiven) religiöse auch in Liedern zum Ausdruck brachten (George Harrison, Barclay James Harvest, U2,…), findet man aktuell christliche Inhalte auf vielen Produktionen: von Enigma, Joanne Osborn, Bon Jovi bis D.C. Talk.
Bei den deutschen Interpreten wird es deswegen deutlicher, weil man trotz allen www und europäischen Gedankenguts die Sprache besser versteht.

Und die Liste der Künstler ist lang. Rio Reiser, Pur, Sabrina Setlur, Westernhagen und die Toten Hosen – sie alle hatten auf ihren Alben hie und da mal einen Song, der diesem Genre zuzuschreiben ist. Xavier Naidoo, Glashaus und Freunde schaffen es sogar ganze CDs mit ihrer religiösen Überzeugung in den Charts zu plazieren.

Was die bloße Beschäftigung der Künstler mit religiösen Text- und Musikelementen im Laufe der Jahre ergänzt hat, ist die Auseinandersetzung mit dem Atmosphärischen und Körperlichen (Andreas Mertin). Sie führt weg von der einseitig kognitiven Beschäftigung mit dem Thema Religion hin zur Annäherung an die menschlichen Lebenswelten mit Bewegung, Körper und Sinnlichkeit.

Dazu kommt, dass eine Plazierung in den Charts zunehmend Bilder in Form begleitender Videoclips erfordert, um erfolgreich zu sein. Diese „optisch-akustisch-textlichen Miniaturerzählungen‘ müssen „neu, aufregend, spaßorientiert, sinnlich, anders, actiongeladen und sinnstiftend‘ sein (A. Mertin). Videoclips illustrieren nicht nur den Song, sondern erzählen in der Regel eine eigene Geschichte, die nicht selten auf die religiöse Bilderwelt zugreift.

Die visuelle Vermittlung greift auf Bildkonventionen zurück, die von den Machern nicht nur aus Effekthascherei religiös sind, sondern auch aus Überzeugung, aufgrund eines „Bedürfnises nach Botschaften und nach Erlösung‘ (Gerd Buschmann).

Das große Problem, das kirchliche Institutionen und Kirchentheologen mit dieser „Jesus-Welle‘ in der Popmusik haben ist, dass Künstler mit dem religiösem Material zwar kreativ und unkonventionell umgehen, aber nicht im Sinne kirchlicher Intentionen, jedoch keinesfalls unsachgemäß. Die Verschmelzung verschiedenster religiöser Dimensionen im Denken und Fühlen zeitgenössischer religiöser Individuen ist eine Tatsache, mit der sich die Kirchen anfreunden müssen.

Gute Beispiele würzten Workshop akustisch: es macht nachdenklich, wenn die Toten Hosen das „Vater Unser‘ acapella singen, wenn Sabrina Setlur sehen möchte, wie die Schreibungen der Psalmen vom gelobten Land in Erfüllung gehen, wenn Rio Reiser von Irrlichtern singt.

Es machte mich nachdenklich, wie wenig ich von dieser Szene außerhalb des NGL wußte und wie innerchristlich konservativ und brav meine und unsere Musik an den Jugendlichen vorbeigeht, obwohl sie für manche in unseren Kirchen schon zu progressiv ist.

Sind die „anderen Sing noch anders (s.a. Bericht Adventssingen in Amberg)? Ich glaube, es ist Zeit, die Kopf (hand)bremse zu lösen!

Die thematischen Inputs des Referats, Literaturliste zum Thema u.a. sind bei MeV zu haben, als PDF Download auch auf der Homepage!


Erscheinungs-Informationen

Magazin-Ausgabe: X-mas voll konkret, ey! auf Seite 7

Sofern nicht anders vermerkt: © Musica e Vita e.V.