Magazinarchiv: 1998

Die liturgischen Grundsätze für die Liedauswahl in katholischen Gottesdiensten.

Von Pfarrer oft beklagt, v.a. bei Hochzeiten in der musikalischen Gestaltung sehr weit ausgelegt bis übersehen, für viele Aktive in der NGL-Szene unbekannt: Die liturgischen Grundsätze für die Liedauswahl in katholischen Gottesdiensten.

Um Kompetenz und Klarheit zu gewährleisten, haben wir folgende ‚Fußnoten‘ aus den SINGELS-Liedblättern zusammengefaßt, um deutliche zu machen, daß die von manchem Brautpaar gewünschten Pop-Songs wie ‚Let ist be‘ zum Einzug, ‚Killing me softly‘ nach der Trauung oder ‚I am sailing‘ zum ‚Sanktus‘ einfach deplaziert sind.

‚Fußnote‘

1. Herr, erbarme dich (Kyrie)

Der eigentümliche Doppelcharakter des Kyrie läßt sich auch an der Musik ablesen. Urspünglich ist das Kyrie ein Huldigungsruf, in der vorchristlichen Antike an den gottgleichen Herrscher gerichtet. Schon früh wurde es in die christliche Liturgie übernommen als Huldigung für Christus, den Weltenherrscher. Vom Osten kam das unübersetzte griechische ‚Kyrie‘ in den Westen als Teil der Laudes und der Vesper, wurde Teil der Meßliturgie und war in karolingischer Zeit Volksgesang. Mit der zunehmenden reicheren musikalischen Gestalt nahm das Kyrie immer mehr den Charakter eines flehenden Bittgebetes an. Heute werden im Kyrie beide Aspekte gesehen: das Lob in der huldigenden Anrufung von Christus, dem König, und die Bußgesinnung in der Bitte um Vergebung.

2. Ehre sei Gott (Gloria)

Das Gloria ist ein Hymnus, ein großer feierlicher Lobgesang. Als Morgenhymnus und Teil der Laudes wurde das Gloria in die Meßliturgie übernommen, zunächst nur für den Papstgottesdienst, erst im 12. Jahrhundert für den sonntäglichen Gottesdienst aller Priester. Formal und inhaltlich ist der Gloria-Hymnus sehr uneinheitlich. Die Anrede wechselt. Zunächst wird Gott gepriesen, mit einem Zitat aus dem Weihnachtsevangelium. Dann folgen in der Du-Form Jubelrufe auf Jesus Christus. Sie sind dem antiken Hymnustyp entlehnt, mit dem ein siegreich heimkehrender Feldherr begrüßt wurde. Hierin – und damit in der Funktion innerhalb der Meßliturgie- stellt das Gloria eine Fortführung und Intensivierung desKyrie dar. Der dritte Teil ist streng auf Christus als das Lamm Gottes ausgerichtet. Den Abschluß bildet das Lob auf den dreifaltigen Gott.
Obwohl das Gloria von den meisten Gläubigen und Liturgen als Einheit empfunden wird, scheint seine uneinheitliche Struktur vielen Komponisten Schwierigkeiten zu machen. Es fällt auf, daß es nur wenige strophische und durchkomponierte Gloria-Lieder gibt. Bevorzugt werden Aspekte und Teil-Texte für Kanons und kleine musikalische Formen.

Fußnote zu Kyrie und Gloria:
Raymund Weber

3. Heilig, heilig (Sanctus)

Das ‚Heilig, heilig, heilig‘ ist der Gesang in der Meßfeier. Wenn überhaupt etwas gesungen wird oder gesungen werden soll, dann ist es das ‚Sanctus‘. Es ist das Loblied, in dem sich die Kirche mit dem Jubelruf der himmlischen Chöre in das Lob aller geschaffenen Kreatur einstimmt.
Schon im jüdischen Synagogen-Gottesdienst ist das Sanctus Bestandteil der Liturgie und wird am Sabbatmorgen gesungen. In der christlichen Liturgie wird es im 6. Jahrhundert in das Hochgebet eingefügt, durch das Benedictus (Hochgelobt sei, der da kommt) aus Psalm 118 ergänzt und vom Hosanna (Mt 21,9) umrahmt.
Musikalisch ist das ‚Heilig‘ zunächst kein selbständiges Stück. Es wird als Teil des Hochgebetes in der fortlaufenden Psalmodie gesungen, in die die Gemeinde beim ‚Sanctus, sanctus‘ mit einstimmt. Das ‚Sanctus‘ ist von Anfang an Gesang des Volkes. Durch eine eigenständige melodische Ausgestaltung wird es im frühen Mittelalter zum Schola-Gesang. In den großen mehrstimmigen Meßkompositionen, die nach dem Ausgang des Mittelalters entstehen, gehört das Sanctus zu den eindrucksvollsten Stücken. Es wird als reich gegliederte Form Gesang des Chores. Aufgrund seiner Länge und der Unsitte, das Hochgebet still zu beten, wurde das ‚Sanctus‘ oft zweigeteilt und das ‚Benedictus‘ erst nach dem Einsetzungsbericht gesungen. Das Zweite Vatikanische Konzil betont 1966 die Einheit des ‚Sanctus‘ und weist es als Gesang der ganzen Gemeinde aus. Das heißt: In der Regel ist es von Gemeinde, Chor und Priester gemeinsam zu singen.
In jüngster Zeit sind viele Kanons als Sanctusvertonungen entstanden. Sie erfüllen insbesondere die Funktion, das vielstimmige gemeinsame Gott-Loben deutlich erlebbar zu machen. Bei mehrstimmigen Liedern sollte die Gemeinde unbedingt eine Stimme mitsingen oder (bei Kehrvers-Liedern) durch das Wiederholen des Kehrvers beteiligt sein.

4. Hochgebet

Das Eucharistische Hochgebet ist das Kernstück der Meßfeier. In sprachlicher Dichte werden bekennendes Lob und preisender Dank entfaltet, denen von Natur aus das feierliche Singen angemessen ist. Das Hochgebet wird vom Priester vorgetragen; die Gemeinde unterstreicht die Hauptlinien durch Antworten (Akklamationen): zu Anfang des Hochgebetes (Sanctus), in der Mitte (Deinen Tod, o Herr) und am Schluß bei der Doxologie (Durch ihn und mit ihm…). Die Beteiligung der Gemeinde am Hochgebet (als priesterlichem Amtsgebet) kann durch das Singen ‚ihrer Teile‘ erkennbarer und bewußter werden.

5. Vater unser (Pater noster)

Das ‚Vater unser‘ ist eines der ältesten Gebete innerhalb der Meßfeier. Im römischen Ritus wurde esdurch die enge Bindung an das Hochgebet lange Zeit vom Priester allein vorgetragen (im feierlichen Hochamt vorgesungen). Die Gemeinde sprach (sang) nur die letzte Bitte und das Amen. In den verschiedenen Liturgieformen unseres Jahrhunderts, endgültig seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, fand man zu der sinnvolleren Regelung, das ‚Vater unser‘ von der ganzen Gemeinde sprechen oder singen zu lassen. Als Gebet des Herrn hat es einen besonderen Rang. Das bedeutet für die Musik: Die liturgischen Vater-unser-Vertonungen müssen den Text hervorheben. Sie sind eher Sprechgesang, und nicht glanzvolle Entfaltung musikalischer Motive. Deshalb gilt für das Singen des ‚Vater unsers‘, daß es feierliches, gläubig-schlichtes, textorientiertes, betendes Singen ist.

6. Friedensgruß

Der Friedensgruß fand in der römischen Liturgie traditionell vor der Brotbrechung statt (in anderen Liturgien an anderen Stellen). Er wurde in Form eines stilisierten Kusses von den Klerikern ausgetauscht. In der erneuerten Liturgie nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil gewann der Friedensgruß wieder Bedeutung für die ganze feiernde Gemeinde, indem der alte Brauch wieder aufgenommen wurde, daß jeder seinem Nachbarn den Frieden wünscht. In den Texten und Melodien vieler neuer Friedenslieder wird ausgemalt, was es heißt, daß Gott uns seinen Frieden schenkt. Die Form des Kanons eignet sich besonders, beim Singen durch Gesten (Friedenskette, Friedensnetz, Händereichen nach allen Seiten) deutlich zu machen, daß der Friede Gottes sichtbar und fühlbar werden muß, und so im symbolischen Tun auszudrücken, daß der Friede mit Gott, mit seiner Schöpfung und dem Nächsten derselbe ist.

7. Lamm Gottes – Agnus Dei

Das ‚Lamm Gottes‘ war ursprünglich ein Gesang zur Brotbrechung. Das eucharistische Brot wird gebrochen – Christus, das wahre Osterlamm, wird geopfert. Christus gibt sich hin für die vielen, für alle, die zum wahren Paschamahl versammelt sind. Der mindestens dreimal wiederholte Liedruf ‚Agnus Dei‘ (je nach Dauer des Brotbrechens auch öfter) verlor seine Funktion als Begleitgesang, als durch das Aufkommen kleiner runder Brotstücke (Hostien) das Brotbrechen entfiel. Der Akzent verlagerte sich von den Bitten der ersten beiden Rufe (‚Erbarme dich unser‘) zur Bitte des dritten Rufes (‚Gib uns deinen Frieden‘), da nun während des Lamm-Gottes-Liedes der Friedensgruß ausgetauscht wurde.