Magazinarchiv: 1995

Stimme II – Klingertraining

Nach den Vokalen im ersten Teil unserer Werkstatt-Reihe ‘Stimme’ beschäftigen wir uns heute mit den sogenannten ‘Halbvokalen’ oder den Klingern. Da sie in den Stimmfalten regelmäßige Schwingungen erzeugen, werden sie sowohl den Vokalen zugeordnet, als auch den Mitlauten, da ihnen im Luftstrom Hindernisse in den Weg gestellt werden.
Wichtig bei der Arbeit mit Klingern ist die entspannte Kehle. Hierbei darf kein Druck von der Kehle oder der Zungenwurzel ausgeübt werden, da sonst das Gegenteil erreicht wird, nämlich eine Verspannung der Resonanzräume. Vielleicht hilft hier die Vorstellung eines freudigen Erstaunens, um die erforderliche Kehlenentspannung zu erreichen.
Beim Üben wieder genau darauf auchten, was Gaumen, Zunge und Lippen machen. Diese Bewegungen sollten genau beobachtet werden und auch sehr sorgfältig überprüft werden, ob sie auch locker genug ausgeführt werden. Trotz aller Lockerheit ist aber die Exaktheit der Aussprache nicht zu vernachlässigen.

L LATE – LETAZungenspitze unmittelbar hinter den oberen Schneidezähnen – aber locker, nicht drücken.LLALLE – ELLE – ALLEVorsicht: Zunge sollte nicht schnalzen!
N ENDE – RINDEähnlich dem L, Zunge sitzt locker am Gaumen, Zunge hinten breit, sodaß Luftstrom zur Nase geleitet wird.NASE – NAMEN erzeugt leichtes Vibriren in der Nase – ACHTUNG: Vibrationen im Rachen sind zu vermeiden!
NG LINGE-LANGE-LUNGEZunge liegt locker hinter den unteren Schneidezähnen, während der Zungenrücken locker(!) am oberen Gaumen liegt. Es darf kein ‚G‘ zu hören sein.TIP: ‚Linge-Lange-Lunge‘ ist eine hervorragende Lockerungsübung für Zunge, Gaumen und Lippen! Zum Aufwärmen bestens geeignet!Bei ‚N‘ und ‚G‘ darf die Luft nicht in die vorderen Resonanzräume gelangen!
M JAMMER – AMEN – MALZunge liegt locker in Ruhestellung, Lippen sind geschlossen, aber nicht zusammengepreßt! Gut ist leichte Vibration, spürbar in der Oberlippe.Vorstellung: ‚Mmmm, das war gut!‘
R REDE – ERDE – OHR – BAR – GEREDE – ORIENTZungenspitzen-RFlatternde Zunge gegen den vordersten Teil des Gaumens, verlangt starke Spannung des Zwerchfells. Zungenspitzen-R ist für gute Aussprache sehr wichtig und sollte gut trainiert werden.Zäpfchen-RErsatzlaut für Zungenspitzen-R. Entsteht zwischen hinterem Zungenrücken und weichem Gaumen. Achtung: Zäpfchen-R zieht jeden nachfolgenden Vokal in den hinteren Bereich. Sollte also vermieden werden!

Das nächste Mal nehmen wir uns das ‘S’ vor und gehen gleichzeitig auf einige sehr gute Lockerungs-übungen für den gesamten Sprechapparat ein. Solche Lockerungs-übungen (wie ‘Linge-Lange-Lunge’) sollten wie das Warmmachen vor dem Sport vor dem Einsingen erfolgen und können dieses sogar teils ersetzen.
Viel Spaß beim Training. Apropos Weihnachten: Achtet mal beim ‘Stille Nacht’-Lied auf das, was Zunge, Gaumen und Lippen alles machen! Ciao und viele Geschenke.

Einige Literaturtips:
Hofbauer, Kurt: Praxis der chorischen Stimmbildung, Schott, Mainz 1978.
Layer, Wolfgang: Singen in Chor, Singgruppe und Solo, Falken, Niedernhausen 1994.
Martienßen-Lohmann, Franziska: Ausbildung der Gesangsstimme, Erdmann, Wiesbaden 1957.
Riesch, Anneliese: Lebendige Stimme, Stimmbildung für Sprache und Gesang, Schott, Mainz 1972.