Magazinarchiv: 1995

Die erste MeV-Jahreshauptversammlung

oder: Wieviel Qualität braucht das NGL

Ensdorf. 1 Jahr MeV! Das wollte gefeiert werden! (…und es wurde auch gefeiert!) Und natürlich sollte die erste Jahreshauptversammlung nicht so ganz trocken und formell über die Bühne gehen. Nicht nur im Musizieren, Singen und Spielen, im Feiern und ‚Ratschen‘ waren die MeVer Spitze und voll dabei, auch im Debatieren! (…So mancher 68er hätte seine wahre Freude an dem engagierten Haufen gehabt!) Und so stellten die noch anwesenden Teilnehmer dieses ersten MeV-Totalwochenendes, das sich ja – wie berichtet – als ein voller Erfolg herausstellte, ihre Diskutierfreudigkeit im Rahmen einer Podiumsdiskussion unter Beweis.
Dazu hatten sich kompetente Gesprächspartner im MeV-Hauptsitz in Ensdorf eingefunden. Michael Fuchs, Diözesanjugendseelsorger aus Regensburg, Thomas Löffelmann, stellvertretenden Kirchenmusikdirektor, Regensburg, und aus Nürnberg Jürgen Rösner von der AGMB, der ‚Arbeitsgemeinschaft Musik in der Evangelischen Jugend in Bayern‘, konnte Jürgen Zach – ‚unser‘ Jürgen, bekannt als 1. Vorsitzender von MeV, fungierte also als eloquenter Moderator – zur Jahreshauptversammlung mit Diskussion als Gäste willkommen heißen.
Nach der Begrüßung, bei der vor allem Jürgen Rößner als ‚Kontakter‘ zur evangelischen Kirche – MeV versteht sich ja als überkonfessionell agierender Verein! – mit langem Applaus in den Kreis der MeVer aufgenommen, nach MeV-Kurzvorstellung, Jahresrückblick und Kassenbericht führte der Moderator ohne Umschweife in das Thema der Diskussion, ‚die Qualitätsmerkmale von NGL‘, ein. Einen polemischen, aggresiven Artikel, zuerst in der ‚Deutschen Tagespost‘ erschienen, dann im Kirchenmusikblatt der Diözese Regensburg publiziert, der sich pauschal, dafür nicht weniger vehement, gegen das NGL richte und dies als Kirchenmusik abqualifiziere (da theologisch zu seicht und liturgisch nicht adäquat), aufgreifend, gelang es ihm, Gäste und Teilnehmer – fühlte sich doch jeder der Anwesenden vor den Kopf gestoßen – unmittelbar anzusprechen, was zu einer regen Beteiligung der ganzen Runde am dadurch äußerst interessanten Gespräch verhalf. Als Ergebnisse konnten dabei sehr wertvolle Kriterien für die weitere Beschäftigung mit dem NGL mit nach Hause genommen werden.
Eine Qualifizierung von Kirchenmusik für den täglichen Gebrauch vor Ort, aber auch in der Ausbildung von Kirchenmusikern, zuungunsten des NGL’s sollte möglichst schnell überwunden werden. Das NGL leistet einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Verkündigung des Evangeliums – spricht es doch die Lebenswirklichkeit und die Erfahrung (nicht nur) junger Menschen von heute direkt an. Hierfür freilich wünschenswert wäre es, würde immer ein sensibler Umgang mit Texten, Melodien, Rhythmen, aber auch mit dem Gottesbild als Grundlage des NGL’s, gepflegt werden. Stets ist auf die Wirkung der Lieder
zu achten. Denn gerade das Feeling des NGL’s kann zum Gemeinschaftserlebnis beitragen, ist doch Singen und Musizieren genuiner Ausdruck gemeinsamen Feierns. In
ihrem Ausdruck eingängige, einprägsame Lieder sind, indem sie eben sehr das Gefühl ansprechen, leicht zu merken und zu singen; für den liturgischen Gebrauch könnten sie so eine lebendigen Gemeinde aufbauen helfen und jegliche Polarisierung überwinden helfen.
Denn auch wenn sich das NGL vor Ort durchsetzt, ist auf jeden Fall eine Verabsolutierung des NGL’s zu vermeiden. Ein plurales Kirchenverständnis verlangt nach Vielfalt in der Kirchenmusik. Hier zeigen sich die Chancen, die im NGL stecken, aber ebenso die Risiken: NGL kann Leute in die Kirche holen, und ebenso Leute aus der Kirche versprengen. Zu bedenken ist, daß im allgemeinen – von vereinzelten, leider umso lauteren Gegenstimmen abgesehen – ‚jungen Musikern‘ Wohlwollen und Toleranz entgegengebracht wird, wenn ‚Grundfehler‘ (wie zu hohe Lautstärke bei zu geringer musikalischer Kompetenz, sprich Lärm, oder Selbstdarstellung der Musiker) vermieden werden.
Besteht zwar grundlegend Nachholbedarf in der ‚kommunikativen Kompetenz‘ der Musiker; sie sollten den ‚Funken überspringen lassen‘ können, so ist doch zu konstatieren, daß dies einer Idealvorstellung entspringt , die wohl den ‚einfachen‘ Musiker völlig überfordert. Es wäre praxisfern, wollte man das NGL nur Spezialisten oder gar Profis überlassen. Gerade hier eröffnen sich der Pastoral Möglichkeiten, indem ganz
verschiedene Musiker sich in die Liturgie einbringen können, seien es (Nachwuchs-)Bands, ob mit PA oder unplugged, Chöre a capella oder mit Begleitung, und was wären Familiengottesdienste ohne die – musikalisch sicher nicht professionellsten – Kinder- und Jugendchöre?
Überfordern sollte man freilich auch das NGL nicht. Musik – auch im Gottesdienst – ist nicht nur ein schönes Erlebnis; es geht um mehr. Musik sollte eingebunden sein in die Verkündigungsstruktur der Liturgie; Lieder, Texte können Anregungen für den einzelnen geben; Musiker mögen sich im Gottesdienst engagieren und ihren Beitrag am Aufbau der Gemeinde leisten. Nur: liturgische Defizite kann Musik ganz allgemein, auch das NGL, nicht kompensieren und auffangen.
Daß natürlich Bedarf an Einführung und Weiterbildung im Bereich des NGL besteht, ist gar nicht in Abrede zu stellen. Jeder Musiker, ob Sänger oder Instrumentalist, ob noch ‚Anfänger‘ oder schon ‚Fortgeschrittener‘ kann und will sich vervollkommnen und weiterbilden. Und das zeige, so konnte der Moderator die Diskussion abrunden, daß wir in
MeV mit unseren Angeboten, Workshops, Konzerten, MeV-Infos etc. zur musikalischen Weiterbildung, aber auch zum persönlichen Kennenlernen, was nicht zu kurz kommen sollte, auf dem richtigen Weg sind. Die Aktivitäten nach einem Jahr können sich sehen lassen; nicht zuletzt war dieses ‚Totalwochenende‘ ein voller Erfolg, was ja die große Zahl der begeisterten Teilnehmer bezeugt.

Die Diskussion auf der MeV-JHV war nur ein erster Anfang. Sie wird weitergehen.
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