Magazinarchiv: 2007

NGL hat seinen festen Platz

Das Gebet im Lied


In Rodgau musiziert der Pop-Kantor, Chorleiter und Musiklehrer René Frank. Er hat sich in seiner Diplom-Arbeit ausführlich mit dem NGL beschäftigt und das Ergebnis als Buch präsentiert: „DAS NEUE GEISTLICHE LIED – Neue Impulse für die Kirchenmusik!“.
Das Interview führte Alexander Bayer.

NGL hat seinen festen Platz

In Zusammenarbeit mit dem Pastor der Evangelischen Emmausgemeinde in Rodgau, Andreas Goetze, entstanden die Neuen Geistlichen Lieder
„Aufbruch zum Leben“ und „ ist da“ aus der Feder von René Frank. Er bietet sie zum kostenlosen Download an unter http://www.rene-finn.de/ngl.html.
Auf seiner Homepage finden sich weitere Publikationen. Besonders zu empfehlen für Chorleiter ist sein Buch über das Einüben des mehrstimmigen Singens mit Kindern und Jugendlichen.

Sie musizieren NGL – und Sie reflektieren NGL. Wann wird für Sie NGL zu Gebet?

Im Neuen Geistlichen Lied ist für mich die Verbindung von Text und Musik besonders wichtig. Nicht nur ein guter Text macht hierbei das Gebet aus, sondern zusätzlich eine eingängige, aussagekräftige Melodie, die die Botschaft des Textes emotional stärkt und damit zum intensiveren Gebet werden kann, als es ein „schlichter“ Text jemals könnte. Dafür müssen Text und Melodie sehr gut aufeinander abgestimmt sein, sich ergänzen und harmonieren. Denn erst dann wird aus einem Lied ein Gebet.
Ein Gebet mit Melodie bleibt in der Regel länger im Ohr – und damit im Kopf – als ein reiner Text.

Das NGL wird zur Zeit in vielen Zeitungen und Zeitschriften mehr oder weniger deutlich mit für die schlechte Qualität von Gottesdiensten und für den schlechten Zustand der Kirche generell in Haftung genommen. Was läuft schief?

Ob ein Lied nun im 17. Jahrhundert oder im 20. Jahrhundert komponiert wurde, kann bei dessen Verwendung im Gottesdienst keine Aussage über die Qualität eines Gottesdienstes liefern. Wäre dies so, hätten alle Gottesdienste in den vergangenen Jahrhunderten ebenfalls eine schlechte Qualität aufgewiesen, da die gesungenen Melodien und Lieder eben auch aus der jeweiligen Zeit stammten. Luther schrieb im 16. Jahrhundert Lieder, die in der Kirche gesungen wurden und verwendete dafür musikalische Elemente seiner Zeit, ebenso wie z.B. Philipp Nicolai (17. Jh.), Johann Crüger (17. Jh.) oder Heinrich Bone (19. Jh.).
Wenn nun im 20. bzw. 21. Jahrhundert Jazz-, Pop- und Rockmusik aktuell ist, so soll dieser Stil auch für die Komposition von Kirchenliedern verwendet werden.
Dadurch wird ein Gottesdienst weder „seichter“, noch wird die Qualität des Gottesdienstes gesenkt, denn jedes NGL ist, wenn es gut ist, eben auch Gebet und Lobpreis Gottes.

Was waren Ihre Berührungspunkte mit NGL? Wie sind Sie selber zum NGLer geworden? Wie kam es zu der intensiven Auseinandersetzung, die zu dem Buch über das „Neue Geistliche Lied“ führte?

Ich selbst habe meine Wurzeln eigentlich in der klassischen Musik und der „traditionellen“ Kirchenmusik. Sowohl meine Klavierausbildung als auch die Ausbildung zum Kirchenmusiker mit C-Examen in Mainz waren fast vollständig ohne Einfluss von Popularmusik gewesen.
Somit war das eigene Musizieren immer ein Eintauchen in eine musikalische Welt, die mit meinem übrigem Umfeld als damals Jugendlicher, wenig gemeinsam hatte.
Erst durch die Idee, eine weihnachtliche Christmette 1992 mit Schlagzeug und Gitarre zu gestalten, ließen mich eine Synthese aus „herkömmlichen“ Kirchenliedern mit Popmusik ausprobieren.
Das Ergebnis war so überzeugend und positiv, dass ich im Jahr darauf die Band INSIGNA gründete, die ausschließlich NGL bzw. Sacropop spielte. Liedmaterial gab es Anfang der 90er Jahre mittlerweile genug und so war schnell ein größeres Repertoire einstudiert mit dem wir in ganz Süd- und Mittelhessen Gottesdienste begleiten konnten oder sogar bei sogenannten Sacro-Pop-Festivals, wie damals auf dem Jakobsberg bei Bingen oder in Stadtallendorf in Mittelhessen, auftreten konnten. Das musizieren von NGL machte einfach Spaß und animierte die Zuhörer zum Mitklatschen, Mitschnippsen oder Mitsingen und damit in einer bestimmten Form zur aktiven Teilnahme am Gottesdienst.
Als ich schließlich ein Thema für meine Examensarbeit im Fach Musik an der Universität Frankfurt suchte, fiel mir die Entscheidung leicht: Nach über 10 Jahren Musizieren von NGL, wollte ich das Thema nun auch wissenschaftlich aufarbeiten.
Diese Arbeit wurde 2003 als Buch „Das Neue Geistliche Lied – Neue Impulse für die Kirchenmusik“ in Marburg verlegt.

Sie stellen in Ihrem Buch im Anschluss an die Beobachtung, dass NGL heute mehr Akzeptanz erfährt als in den heißen Tagen seiner Anfänge, die Frage: „Ist unsere Musik einfach besser geworden?“. Wie beantworten Sie die Frage heute?

Auch heute würde ich wie damals antworten:
„Das mag vielleicht ein stückweit stimmen“… aber das NGL hat sich in Deutschland in den meisten Kirchengemeinden, sei es in der katholischen oder evangelischen Kirche, halbwegs gleichberechtigt zu den „klassischen“ Kirchenliedern etabliert. Selbst bei kirchlichen Trauungen, im regulären Sonntagsgottesdienst oder in einer Andachtsstunde hat sich das NGL – teilweise in Form von z.B. Taizé-Gesängen – einen festen Platz erobert.
Letztendlich steht dies natürlich auch im Zusammenhang mit der demographischen Entwicklung der deutschen Bevölkerung: Immer mehr Menschen sind mit Jazz und Popmusik aufgewachsen und finden es nicht ungewohnt oder gar störend, wenn sie mit diesen Musikstilen auch im Gottesdienst konfrontiert werden. Das soll aber nicht bedeuten, dass nun ausschließlich NGL in den Gotteshäusern gespielt werden muss, sondern eine gesunde Mischung aus Liedern der letzten fünf Jahrhunderte der Kirchenmusik wäre für mich der Idealfall. „Altes“ neben „Neuem“ ist nicht störend, sondern vielmehr eine Bereicherung der Musikkultur in den Kirchen. Wir müssten eigentlich nach wie vor froh sein, dass wir auf eine so lange kirchenmusikalische Tradition zurück blicken können!

Wenn Sie NGL im Gottesdienst begleiten, laden Sie auch Musikanten ein, die mit Kirche nichts am Hut haben?
Wie reagieren diese auf NGL‘s?

Da ich selbst auch Musiklehrer an einer Gesamtschule bin, bietet es sich immer wieder an, Schüler und Schülerinnen, die gut musizieren oder singen können, zu der Begleitung eines Gottesdienstes einzuladen.
Viele sind dann doch eher überrascht, dass die Musik auch „popig“ oder gar „rockig“ sein kann, denn es hält sich nach wie vor das Klischee, dass der Kirche nur langweilige, alte Musik gespielt wird.

Sie geben auch Workshops mit NGLs. Wollen Sie uns ein paar Ihrer Geheimnisse verraten, wie Sie neue Lieder interessant machen?

Generell ist es bei der Vermittlung von Musik, sei es als Chorleiter, Musiklehrer, Bandleader oder Workshopleiter wichtig, dass man sich erstens mit der dargebotenen Musik selbst identifizieren kann und zweitens sie mit Freude und Motivation vermittelt.
Wenn ich versuche mit schlechter Laune einem Chor ein Lied beizubringen, das ich selbst überhaupt nicht mag, werden dies die Sänger intuitiv bei der Probe spüren. Das Ergebnis kann einfach nicht gut werden.
Wenn ich aber selbst ein neues Lied erst einmal vorspiele und vorsinge, um den Workshopteilnehmern einen Eindruck zu vermitteln, wie das Lied klingen könnte, und dies mit entsprechender Begeisterung (und natürlich gutem Vortrag) darbiete, steigt die Lust bei den Rezipienten, dies auch so zu erlernen und schließlich zu präsentieren.
Auch die Verknüpfung von bekannten musikalischen Elementen mit einem NGL ist ein gutes Stilmittel um einen schnellen Zugang zu einem neuen Lied zu schaffen. So verwendete ich unlängst die Melodie von „Pink Panther“ als Vorspiel zu dem Gospel „Go down Moses“.
Beides war den Zuhören und Sängern bekannt, aber diese Kombination erweckte erst ein Schmunzeln und schließlich großes Interesse.

Planen Sie gerade ein größeres Projekt mit NGL?

Ich hatte im Frühjahr diesen Jahres ein großes, dreistündiges Konzert veranstaltet, das mit fast 70 Musikern Kirchenmusik aus vier Jahrhunderten auf viele verschiedene Weise darbot. So präsentierten neben der Orgel sowohl ein Flötenkreis, ein Gitarrenduett, drei Bands, ein Gospelchor als auch Gesangssolisten Werke von „Ba-rock“ bis „Pop-Rock“ bzw. NGL.
Für Weihnachten ist die Aufführung des Mini- Musicals „Die drei Sterndeuter“ von Jochen Rieger geplant, bei dem drei Wissenschaftler den Stern von Bethlehem erforschen wollen und welches Lieder mit Elementen aus Pop, Jazz, Rock und Rap enthält, sowie eine Popversion von „O du fröhliche“.
Darüber hinaus komponiere ich selbst, je nach Bedarf, Neue Geistliche Lieder für Chöre oder Bands.

Hat, ich frage etwas rhetorisch und akademisch, das Neue Geistliches Lied seine Chance genützt, auch außerhalb von Eucharistiefeiern sein geistliches Potential mitzuteilen?
Nutzt es die Möglichkeiten der Stundengebete, um seine große Stil- und Themenbandbreite sinnvoll einzubringen?

Neues Geistliches Lied ist mittlerweile „salonfähig“ möchte ich behaupten. Nicht nur im Gottesdienst kann es gespielt werden, sondern auch auf Gemeindefesten, Firm- und Konfirmandenfreizeiten, im Religionsunterricht und auf Veranstaltungen die nur entfernt etwas mit Kirche zu tun haben. Die Übergänge zu der Popmusik sind fließend. Wenn ein Popsong aus den Charts mit religiösen Texten aufwarten kann, so spricht nichts dagegen, diesen auch in den Gottesdienst oder eben bei anderen kirchlichen Veranstaltungen einzubauen. Ob nun „One of us“ von Joan Osborne, viele Lieder von Xavier Naidoo oder selbst „We are the world“ von Michael Jackson – jedes dieser Lieder hat eine Aussage, die im kirchlichen Rahmen Platz findet. Nicht unbedingt als Gebet, aber als Botschaft, die zum Nachdenken anregt.
Bei überregionalen Veranstaltungen, wie dem Katholikentag oder dem Weltjugendtag spricht das NGL sogar Jugendliche aller Nationen an. Kirchenmusik ist nicht mehr nur „uncool“.

Sie sind auch kreativ tätig. Wann und wie wird für Sie ein Gebet zu einem NGL?

Ich bin seit einigen Jahren als sogenannter „Pop-Kantor“ in einer evangelischen Kirchengemeinde tätig. Wenn mir eine schönes Gebet begegnet oder unser Pastor mal wieder einen geeigneten Text geschrieben hat, so schwebt mir oft eine Melodie zu dem Gehörten vor. Das Gebet oder der Text wird für mich intensiver, wenn er in Verbindung mit Musik steht. Das mag bestimmt daran liegen, dass ich als Musiker versuche alles in Noten zu packen, aber ich glaube auch, dass viele Menschen einen besseren Zugang zu Gebeten und Texten finden können, wenn diese mit emotionaler Musik – sei es in Form von Balladen, Popmusik oder Rockmusik – verbunden sind.
So ist für mich ein Neues Geistliches Lied ein Gebet, das mit vielen Sinnen Gott lobt und preist.
Wer singt, betet doppelt …
http://www.rene-frank.com

René Frank
Das Neue Geistliche Lied
Neue Impulse für die Kirchenmusik
diplomica, Band 9

Welche Musik braucht die Kirche heute? Wie wünschen sich Jugendliche – musikalisch gesehen – einen Gottesdienst? Und welche Musikformen kommen dafür in Frage? In Zusammenhang mit diesen Fragen haben sich in den letzten Jahren
„Neues Geistliches Lied“ (NGL) und Sacro-Pop zu Schlüsselbegriffen in der kirchlichen Musikszene entwickelt.
Ausgehend von der Geschichte der Rock- und Popmusik stellt das vorliegende Buch die Entstehung und Entwicklung von Spirituals und NGL mit seinen diversen Verästelungen dar (Sacro-Rap, Taize-Lieder, Lobpreissongs, Heavens Metal etc.). Es diskutiert Fragen des Musikkonsums sowie der Zukunft der Musik in der Kirche und liefert damit einen umfassenden Einblick in ein kontroverses Thema.

ISBN 978-3-8288-8573-8
159 Seiten, Paperback
Tectum Verlag 2003
Preis: 29,90 €
René Frank


Erscheinungs-Informationen

Magazin-Ausgabe: Das Gebet im Lied auf Seite 6

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