Magazinarchiv: 2007

Das Gebet im Lied

Titelthema: Prof. Dr. Markus Eham, Alexander Bayer


Prof. Dr. Markus Eham
(Professor für Liturgik an der Fakultät für Religionspädagogik/ Kirchliche Bildungsarbeit der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt)
„Welche Rolle haben Lieder für mein Beten?

Singen an sich ist für mich wichtig, weil es mich in eine Erfahrung und Haltung führt, die sehr verwandt ist mit der des Glaubens: es lässt mich zu mir selbst kommen und dabei zugleich über mich hinausgehen – zum Größeren, zum Du …
Mit einem Wort des niederländischen Theologen und Lied-Dichters Huub Oosterhuis kann ich auch für mich sagen: „Singen heißt: sich in ein größeres Ganzes einfügen, mit anderen einstimmen und dabei Worte verwenden, (…) an die man sich nur gemeinsam mit anderen heranwagt; (…) das gemeinsam gesungene Lied ist oft ein rechtmäßiges Alibi für die persönliche Ohnmacht des Glaubens.“
Auch in Situationen, wo Seele und Herz so gar keinen Draht zu Gott zu finden scheinen, kann das Singen eines Liedes oft eine Brücke brauen.
Welche Rolle spielt das Gebet in meinen Liedern?
Wenn damit meine eigenen kompositorischen Versuche gemeint sind, ist die Frage gar nicht leicht zu beantworten.
Vielleicht kann ich es so sagen: Wenn ein Lied entsteht, ist das ein Vorgang, der eine gewisse Verwandtschaft mit dem Beten hat: Berührt sein von etwas in mir, das nicht von mir stammt. Klänge und Worte versuchen, dem Ausdruck zu geben…“

Alexander Bayer

Welche Rolle spielt das Gebet in deinen Liedern?
Und welche Rolle haben Lieder für dein Beten?

„Beten heißt für mich: vor Gott treten und sich verwandeln lassen, sich öffnen lassen, sich empfänglicher machen, die Perspektive verändern, die Verhaltensmuster unterbrechen. Ich komme anders aus einem Gebet als ich hineingegangen bin. In meinen Entzücklika-Liedern möchte ich diese Prozesse der Verwandlung sichtbar machen oder dazu anregen.
Ich möchte diesen Erfahrungen eine Form und eine Sprache geben, die manche vielleicht nur gespürt haben, aber nicht in Worte fassen konnten (Zeile: „Ich bringe Mut zur Sprache“ in „Ich will das Morgenrot wecken“). Über die Beschäftigung mit diesen Verwandlungsprozessen, über die veränderte Wahrnehmung vor Gott, ermögliche ich es Menschen, an sich selber, für sich selber diese Verwandlungen zuzulassen oder wahrzunehmen. Insofern ist das gemeinsame Singen unserer Entzücklika-Lieder, unserer Auferstehunglieder, unserer Mut-Mach-Lieder, selbst dann, wenn die Lieder erst mal nicht in Gebetssprache erklingen, ein gemeinsames Beten.
Entzücklikas Herkunft und Wirken ist aber auch verbunden mit der Erfahrung von unzulänglichen Gebetssituationen: viele meiner Lieder entstanden, weil es Gebete gab oder gibt, die mich ausgesperrt haben. Ich fühle mich ausgesperrt, wenn die Gebetssprache verschraubt und verkünstelt ist, wenn die Sprache ohne Poesie, ohne Bilder ohne Intensität ist.
Ich fühle mich abgestoßen, wenn die Gebete heruntergeleiert werden, wenn ihre Buchstaben wichtiger sind, als die eigene Haltung, oder wenn die Körperhaltung der Betenden das pure Gegenteil dessen anzeigt, was sie gerade beten. Deshalb bevorzuge ich das gesungene vor dem gesprochenen Gebet, denn richtiges) Singen zwingt zu einer Körperhaltung, zu einer inneren Spannung, die dem Gebet näher ist.
Diese Körperlichkeit ist bei meinen Mitsingliedern mit den Händen zu greifen. Diese Körperlichkeit macht „Verwandlung“ intensiver, es verändert sich die Ein-Stellung zur Welt, sie begünstigt die Ausstrahlung.
Ich bin beim Beten jemand Aktives. Beim Beten werde ich aktiviert, das kann ich empfangen.
Ich nehme mir beim Gebet die Zeit, mich selber wahrzunehmen, ich formuliere alle meine Freuden, aber auch meine Aggressionen. Meine Selbst-Wahrnehmung stelle ich dann einem Wort aus der Bibel gegenüber, das mir der Geist jeweils eingibt (manchmal ist es ein Ohrwurm, eine Schriftlesung, die ich mir eingeprägt habe) und lasse beides auf mich wirken.
Da ich gelernt habe, den Gottesworten zu vertrauen, rühren sie meine Gefühls- und Gemütslage an und beginnen, mich zu beruhigen und dankbar zu machen. Alles das ist für mich ist etwas Körperliches, etwas anderes als nur da zu sitzen, und Gott um irgendwelche Süßigkeiten und Nettigkeiten zu bitteln und betteln, wie es mir oft in den Fürbitten der Gottesdienste vorgeführt wird.

Ist es überhaupt wichtig und wenn ja wie wichtig?
Beten rhythmisiert meinen Alltag. Beten unterbricht und kann mich davor bewahren, mich in eine Richtung zu verrennen oder in eine Laune zu verfallen, aus der ich nicht mehr herauskomme. Dass ich beten kann, nehme ich dankbar an. Ich höre oft davon, dass alte Menschen nicht mehr beten können, nicht weil sie es nicht wollten, sondern weil sie nicht mehr können. Ich bin froh, wenn ich beten kann, weil ich das Gefühl habe, dass es mich lebendig hält. Deshalb ist es für mich wichtig. Und da ich als fahrender Geselle keine feststehenden Zeiten habe, nutze ich die Gelegenheiten, wenn ich irgendwo Glocken läuten höre, oder an einem Bildstock vorbeikomme, meine Gedanken auf Gott zu richten, oder an liebe Menschen zu denken, für die ich stark sein möchte.“


Erscheinungs-Informationen

Magazin-Ausgabe: Das Gebet im Lied auf Seite 5

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