Magazinarchiv: 2007

Der heilige Raum, der die Sehnsucht birgt

Heilige Räume


Aus dem gleichnamigen Vortrag von Fulbert Steffensky

‚Ich habe es immer als Problem empfunden, dass die Stimme des Kirchenraumes unhörbar gemacht wird durch lautes Gerede vor dem Gottesdienst. Damit lässt man nicht zu, dass der Raum einen erbaut. Das Gelärme zerstört die Fremdheit des Raumes, die ein köstliches Gut ist … Wir lieben die Fremde nicht!
In narzisstischen Lagen versuchen Menschen, alles sich selber gleichzumachen und sich alles anzueignen. Sie wollen dauernd selber vorkommen, sie wollen die Wärme und die Unmittelbarkeit einer sich selbst feiernden Gruppe. Und so soll es auch im Gottesdienst und in der Kirche gemütlich sein wie zu Hause im Wohnzimmer … Die Gemeinde will unmittelbar zu sich selber sein, und so verliert der Gottesdienst seine Fremdheit, seine Andersheit.
Das Verhalten der Menschen wird ununterscheidbar vom Verhalten zu Hause, im Wirtshaus oder auf einer Party … Die alten Räume stellen sich in ihrer Fremdheit zum Glück solchen Versuchen noch in den Weg, damit wird die Komik solcher Selbstinszenierungen wenigstens durchschaubar. Ich hoffe, die Kirchen behalten ihre Fremde, und die narzisstischen Selbstinteressen finden keinen Niederschlag in Kirchbaukonzeptionen … Der heilige Raum ist der fremde Raum, nur in der Fremde kann ich mich erkennen. Der Raum erbaut mich, insofern er anders ist als die Räume, in denen ich wohne, arbeite und esse. Ich kann mich nicht erkennen, ich kann mir selbst nicht gegenübertreten, wenn ich nur in Räumen und Atmosphären lebe, die durch mich selbst geprägt sind, die mir allzu sehr gleichen und die mich wiederholen. Die Räume, die mich spiegeln – das Wohnzimmer, das Arbeitszimmer -, gleichen mir zu sehr.
Der fremde Raum ruft mir zu:
Halt! Unterbrich dich! Befreie dich von deinen Wiederholungen!
Er bietet mir eine Andersheit, die mich heilt, gerade weil sie mich nicht wiederholt, sondern mich von mir wegführt. Kirchen heilen, insofern sie nicht sind wie wir selber.‘

Fulbert Steffensky ist unter den zeitgenössischen Theologen derjenige, bei dem man am meisten über heilige Räume lernen kann. Vor fünf Jahren hat er unter dem Titel ‚Das Haus, das die Träume verwaltet‘ eine Reihe von Vorträgen und Aufsätzen veröffentlicht. Sie sind mittlerweile in 7., unveränderter Auflage erschienen – auch ein Zeichen dafür, wie sehr das Gespür für das Heilige gewachsen ist und wie sehr Fulbert Steffensky als Interpret des Heiligen geschätzt wird. Er hat beim Evangelischen Kirchbautag in Leipzig, der unter der Überschrift ‚Sehnsucht nach heiligen Räumen‘ stattfand, einen Vortrag unter dem Titel gehalten: ‚Der heilige Raum, der die Sehnsucht birgt.‘