Magazinarchiv: 2007

Rolf Krenzer im Gespräch

Zum Tod von Rolf Krenzer von Andrea Wohnhaas

Andrea Wohnhaas im Gespräch mit Rolf Krenzer.
Interview im Katholischen Sonntagsblatt der Diözese Rottenburg -Stuttgart (2001).

Rolf Krenzer hat schon mehr als 80 CDs, Schallplatten und Kassetten mit Kinderliedern produziert, ist bekannt als Buchautor und Seminarleiter für Lehrer und Erzieher. In Zusammenarbeit mit dem Verband Bildung und Erziehung ist jetzt die CD ‚Fremde werden Freunde. Kinderlieder für Verständnis und Toleranz‘ erschienen. Moderne, einprägsame Melodien und Texte ergänzen sich gegenseitig und sind auch für Erwachsene ein Hörgenuss. Wir unterhielten uns mit dem Sonderpädagogen über die Macht der Lieder.

Herr Krenzer, wie kam es zu diesen Liedern?

Die Idee kam von der katholischen Kirche in Bayer, die vor einigen Jahren mit den Kindergärten einen Malwettbewerb zum Thema Fremde gestartet hat. Wir wurden gebeten, zur Abschlussveranstaltung Würzburg Lieder für die Kinder zu machen. Jetzt haben wir diese Lieder neu auf CD aufgenommen und dazu ein Liederbuch herausgebracht.

Ihre Texte sind angemessen anspruchsvoll und auch die Melodien sind nicht gerade einfacht gestrickt. Ist das
Absicht?

Ja, denn man muss die Kinder ernst nehmen. Und das kann ich nur, wenn ich sie betrachte wie meinesgleichen. Text und Musik müssen eine gute Qualität haben, sonst kann man darauf verzichten. Der Text muss Erwachsene und Kinder gleich stark ansprechen, der Erwachsene darf nicht in die Hocke gehen, um mit den Kindern etwas zu singen. Es gibt zwei Bücher, die ich sehr schätze, weil sie für Kinder und Erwachsene gleichermaßen gut sind: das ist ‚der kleine Prinz‘ und’Ronja Räubertochter‘.

In Ihren Liedtexten kommt das Thema Gerechtigkeit immer wieder vor. Haben Kinder ein Gespür für Gerechtigkeit?

Ein ganz starkes sogar. Ein Kind, das dies nicht äußert, ist in diesem Bereich sicher unterdrückt worden. Dazu gehört auch Teilen, was für Kinder im Kindergarten oder in der Schule sehr wichtig ist. Kinder beschäftigen sich stark mit ihrer Umwelt. Wenn einem Tier etwas Unrechtes geschieht, ist es ganz furchtbar für ein Kind.

Kann man über Lieder erziehen?

Ganz bestimmt. Das Lied hat den Vorteil, dass es öfter gesungen wird. So prägen sich bestimmte Textpassagen ein, geraten ins Unterbewusstsein und sind immer wieder abrufbar. Ich habe zum Beispiel zu einem Lied über Schulangst einen Brief von einem Kind bekommen, der mich unheimlich glücklich gemacht hat. ‚Immer vor der Mathearbeit habe ich solche Angst, dann singe ich ‚Halte zu mir, guter Gott.‘

Reichen Lieder allein aus?

Ich denke, dass Lieder viel bewirken können. Aber das allein reicht nicht. Man muss die Realität Kindern erlebbar machen. Das heißt: Wenn ich über Behinderte spreche oder ein Lied über Behinderte singe, dann muss ich den Kindern auch den Kontakt mit Behinderten ermöglichen.

Gibt es auch schlechte Kinderlieder?

Für meinen Begriff ist das Lied ‚Zehn kleine Negerlein‘ das schlimmste Lied, das es überhaupt gibt. Es schließt die Diskriminierung von Andersfarbigen von vorneherein ein – das geht schon mit dem Wort Negerlein los – und macht sich über andere Menschen lustig. Auch Lieder, die von einem nationalen Epos oder von einem politischen Leitbild geprägt
sind, sollten vermieden werden.

Kinder hören aber auch Radio und trällern oft Popsongs mit schmuddeligen und ordinären Texten nach.
Davon werden die Kinder doch auch beeinflusst.

Natürlich sind solche Hits beliebt. Aber Kinder wissen auch, dass man die nicht überall singen kann, dass es in manchen Situationen peinlich ist. Leider ist in unserer Gesellschaft eine starke Sprachverrohung bemerkbar. Vulgäre Ausdrücke gehären dazu. Das ging mit dem Wort ‚geil‘ los und endet bei ganz schlimmen Ausdrücken.

Kann man da etwas entgegensetzen?

Ich glaube schon. Wenn etwa eine Lehrerin, die sie verehren – und das ist ja in dem Alter besonders stark – mit ihnen darüber spricht oder eben gute Lieder mit ihnen singt, hat das einen starken Einfluss. Der Vorteil von Liedern in Schule und Kindergarten ist auch das gemeinsame Erleben. Aber im Grunde kann man Kinder nur für Dinge begeistern, von denen man selber begeistert ist. Deshalb müssen Kinderlieder auch für Erwachsene geschrieben werden.

Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Autorin.


Erscheinungs-Informationen

Magazin-Ausgabe: Rolf Krenzer ist tot auf Seite 2

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