Magazinarchiv: 2007

Wie Rolf in mir wirkte

Zum Tod von Rolf Krenzer von Stephen Janetzko,


Wie Rolf in mir wirkte
Stephen Janetzko,
fünf Kinder, ist seit 1993 u.a. als Autor und Kinderliedermacher freiberuflich tätig. Auch religiöse Lieder, u.a. mit Rolf Krenzer und Werner Schaube

Für Rolf
engel
manchmal schau ich zum himmel rauf
als sähe ich sie schweben
als hätte ich sie aufgeschreckt
geradewegs ins leben

hier unten sind sie gut getarnt
man meint fast eingeschlafen
ich höre positives kaum
man redet von bestrafen

ich glaub sie haben es recht schwer
bei uns auf unsrer erde
statt glück und mut und zuversicht
erhalten sie beschwerde

es übt sich niemand in geduld
es gibt zuviel gedrängel
fang du als erster wieder an
hab mut und sei ein engel.
stephen janetzko

Als Alexander Bayer mich bat, zu diesem Nachruf einige gemeinsame Fotos beizulegen, fiel mir auf, dass ich Rolf Krenzer zwar mehr als 10 Jahre kannte und unzählige Briefe, Faxe, Telefonate & Emails davon zeugen, aber keinerlei Fotos, und dass wir uns selbst nur zweimal persönlich getroffen haben in all der Zeit, und beim ersten Mal wusste er nicht mal was davon …

Etwas mehr als 50 seiner Texte durfte ich zu Liedern vertonen, beileibe nicht viel, wenn man bedenkt, dass Rolf Krenzer wohl rund 2000 Liedtexte verfasst hat (sehr beeindruckend, denn ich erinnere mich, dass mein altes ‚Beatles Complete‘-Songbook nur etwas über 200 Songs beinhaltete). Und dennoch sind alle diese Lieder noch heute wie morgen kleine Schätze, die ich hege und pflege und nicht missen mag – und von denen schon viele ihren Weg Kindergärten, Schulen und Gemeinden gegangen sind, wofür ich sehr dankbar bin.

Ich selbst bin Jahrgang 1966, Rolfs erste Veröffentlichungen waren laut Internet 1965 – so war er für mich eigentlich schon immer präsent. Aufgewachsen einem katholischen Elternhaus in Hagen (Westf.), habe ich mich, so lange ich denken kann, immer für Musik interessiert. Ich mochte immer klare Texte und eingängige Melodien, spielte vor allem Gitarre in den kirchlichen Musikgruppen, mit denen ich Gottesdienste vorbereitete. In Freizeiten des Familienbunds sangen wir damals (70-er, 80-er) natürlich Peter Janssens, Ludger Edelkötter usw. Von diesen beiden stammen auch die zwei von mir noch heute geliebten Krenzer-Vertonungen ‚Das Licht einer Kerze‘ (Krenzer/Janssens) und ‚Halte zu mir, guter Gott‘ (Krenzer/Edelkötter).

Da ich mich immer für die Autoren von Musikstücken interessiert habe, blieb Rolfs Name mir nicht lange fremd – kein Wunder, denn er hat ja im Laufe der Zeit mit unglaublich vielen bekannten wie auch unbekannteren Komponisten gearbeitet: Peter Janssens, Ludger Edelkötter, Anke, Lele und Detlev Jöcker, Reinhard Horn, Siegfried Fietz, Martin Göth, Robert Haas, Paul G. Walter, Inge Lotz, Wolfgang Jehn, Detlev Kühne, Frank Stieber, Hartmut Bietz, Arndt Büssing, Hans-Werner Clasen, Manfred Bauer, Klaus Heizmann, Geoffrey F. Horgan, Walter Kahn, Felix Volkmann, Horst Koch, Alexander Bayer, Armin Müller … und sicher noch mehr!

Mit 16 fing ich, neben meinem kirchlichen Engagement wohl am meisten von Reinhard Mey geprägt, selbst an, Lieder zu schreiben, wobei mir zunächst das Melodien-Finden leichter fiel als zu texten (mein erster Liedtext dauerte mehrere Monate). Erst weitere 16 Jahre später, mit nunmehr 5 eigenen Kindern und durch meine mehrjährige Zusammenarbeit mit Rolf ist es nun ein ebenso selbstverständliches Werkzeug wie Komponieren.
1989 und 1992 erschienen im Herder-Verlag die beiden großen Krenzer-Sammlungen ‚Ich freu mich, dass du da bist‘ und ‚Gut, dass es dich gibt‘, die ich bis heute nutze, und es muss Anfang 1994 gewesen sein, als Rolf in der Nähe meiner Heimatstadt Hagen (Westf.) einen Abendworkshop für Erzieherinnen (Westf.) leitete. Meine Mutter, die im Gemeindekindergarten arbeitete, fragte mich, ob ich nicht mitkommen, fragte mich, ob ich nicht mitkommen wolle, und ich ließ mich wohl überreden. Und dann kam er auf die Bühne, ohne jegliche musikalische Begleitung, nur mit Mikrofon. Über 200 Erzieherinnen- im Raum (ich war der einzige Jüngling außer dem Mann vom Bücherstand). Zwei Stunden später waren wir sicher um etwa 50 Lieder reicher, und zu
jedem gab es Rolfs vollen Körpereinsatz: Jedes Lied jedem gab es Rolfs vollen Körpereinsatz: Jedes Lied ein mehrdimensionales Erlebnis.

Rolf ist in der Tat der Neu-Erfinder der in Bewegung gesetzten Spiellieder, die heute aus keinem Kindergarten, keiner Grundschule und keinem Kindergottesdienst mehr wegzudenken sind. Meine Freundin, Erzieherin und Autorin Christa Baumann: ‚Das habe ich damals bei einer Fortbildung bei ihm am eigenen ich damals bei einer Fortbildung bei ihm am eigenen Leib erfahren. Er begleitete jedes Lied mit Gesten. Bei einem Lied stand er aber mit verschränkten Armen da. Wir hatten echt Probleme, uns den (neuen) Text zu merken.‘ Seitdem schreibe ich immer öfter Lieder, die sich mit einfachem Text, eingängiger Melodie und leichten Bewegungen auch ohne Musikinstrumente transportieren lassen – denn ich weiß um den Wert der Gesten des Vortragenden!

Ich war so fasziniert nach diesem Abend, dass ich seine Bücher wieder zur Hand nahm, und beim Lied ‚Ein bunter Regenbogen‘ hängen blieb, da es davon gleich mehrere Versionen gab. Spontan fiel mir ausgerechnet zu diesem Text eine weitere neue Melodie ein, aber da sie mir selbst gut gefiel, kam ich auf die Idee, sie Rolf Krenzer selbst zur Beurteilung zu schicken. Zu meiner großen Freude und Erleichterung meldete er sich fast umgehend: Rolf gefiel meine Version ‚außerordentlich gut‘, und so kamen wir in Kontakt. Hin und wieder schickte er mir nun einen neuen Text, ich schickte ihm meine Melodie dazu. Gelungene Texte erkenne ich mittlerweile daran, dass dazu bei mir schon im Kopf während des Lesens eine Melodie einfällt. Rolfs Texte bekam ich damals noch per Post, und oft war die Melodie schon fertig, noch bevor ich den Text ausgelesen hatte – einfach genial!

Als Rolf dann 1996 die erste komplette CD mit mir machen wollte, musste ich ihn endlich persönlich kennenlernen (damals zog ich gerade für 2 Jahre nach Frankreich), und so kam es zu unserem 2. Aufeinandertreffen, dem ersten persönlichen. Ich besuchte seine nette Frau Dagmar und ihn an einem verschneiten Winterabend bei ihm zu Hause in Dillenburg. Mehrere Stunden unterhielten wir uns über Lieder & Liedermacher, er spielte mir viele seiner Lieblingsvertonungen seiner Lieder vor, darunter wohl seine erste Schallplatte, vermutlich live aufgenommen in der Sonderschule, deren Rektor er früher war. Er lebte und liebte, was er tat, und was er tat, war sinn-gebend und sinn-haft.
Ein großes Kompliment für mich war, dass ihm einer meiner eigenen Texte so gut gefiel (‚Ritter Kunibert‘), dass er mir sagte, den hätte er am liebsten selbst verfasst.

Von unserer Zusammenarbeit zeugen die drei CD/MC/Buch-Produktionen ‚Wir warten und warten‘ (Lahn-Verlag), ‚Mit uns erlebst du was‘ (Lahn- Verlag) sowie die ‚Lieder und Geschichten von den kleinen Indianern‘ (Verlag Heinrich Ellermann/Edition SEEBÄR-Musik) sowie viele Einzellieder, die auf verschiedenen CDs enthalten sind oder auch noch unveröffentlicht dastehen.

Ich persönlich habe für meine Lieder, so wie sie heute sind, wohl von keinem Menschen so viel gelernt wie von Rolf – und seit ich mit ihm als Komponist gearbeitet habe, habe ich auch als Autor für meine eigenen Liedtexte neue Zugänge und Möglichkeiten gefunden, meinen Texterhorizont erweitert. Ich denke oft: ‚Würde Rolf den Text auch so machen? Habe ich die angesprochene Zielgruppe inhaltlich erreicht? Kann das Lied leicht und nachvollziehbar in Bewegung umgesetzt werden? Ist es stimmig von Text und Melodie?‘

Einmal erzählte er mir belustigt am Telefon, in einem Liederbuch sei ein Lied von ihm abgedruckt worden mit der Quellenangabe ‚Text: volkstümlich‘ (Anm. SJ: Die freie Textverwendung ist z. Zt. frühestens 70 Jahre nach dem Tod des Autors möglich).
Da hat er gleich, wie es seine Art war, dem Herausgeber einen freundlichen Brief geschrieben und ihm für die Ehre gedankt, schon vor seinem Ableben als volkstümlich eingestuft zu werden – bis dahin solle er aber dennoch seinen Namen angeben und die Liedrechte einholen …

Mit Rolf ist für mich der vielleicht bedeutendste deutschsprachige Liedtexter unserer Zeit für Kinderlieder und neue religiöse Lieder von uns gegangen – weder eine weltliche noch eine geistliche Liedersammlung kommt heute ohne ein ‚Krenzer-Lied‘ aus; und wie oft sind diese Lieder sogar sammlungsprägend!
Ich bin gleichzeitig sehr traurig und dankbar zugleich, dass ich diesen kraftvollen und klar ausgerichteten Menschen kennenlernen und mit ihm gemeinsam arbeiten durfte.

Rolf Krenzer wird mir immer unvergessen bleiben. Oder wie es eine andere Freundin ausdrückte:
‚Sicherlich wird er als Engel immer wieder Licht auf die Erde schicken, wie auch im Leben.‘


Erscheinungs-Informationen

Magazin-Ausgabe: Rolf Krenzer ist tot auf Seite 8

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