Magazinarchiv: 2006

Das Piano 2

Instrumente im NGL


Felix Schonauer ist ein Multitalent, der mit vielen Wassern gewaschen ist.

Ein exzellenter Pädagoge, der uns hier Teil 2 seiner Klavierkunde vorstellt. (Teil 1 Ausgabe 04/2005)

Hören und gehört werden
Oft ist das (Haupt-) Keyboard (Piano) auch dafür zuständig, den Chor zu stützen bzw. in der Intonation zu halten. Dies verführt dazu, das Instrument zu laut zu verstärken. Hier ist besondere Sorgfalt angesagt. Für wenig Geld (preiswerte aktive Monitorboxen!) ist der Klavierklang am Chor laut und in der Kirche angemessen leise, oder umgekehrt. Dazu ist eine Kontrollperson unbedingt notwendig, die entsprechend zu schulen ist.
Aber der Reihe nach: Wer wen in der Kirche gut, zu laut oder zu leise bzw. gar nicht hört, ist ein unaufhörlich spannendes Kapitel. Vor allem (und dies wird meiner Erfahrung nach oft vernachlässigt, weil mit einigem Denk- und Materialaufwand verbunden) sollen sich der/die Pianistin, meist zugleich ChorleiterIn, die übrigen Instrumentalisten, die Chor- und Solosänger gut hören. Sonst leidet die Intonation, der Gesamtklang, Einsätze werden ‚verschlafen’ oder überhört, vor allem die SängerInnen sind vor der Zeit müde gesungen und der gleichen Probleme mehr.

Dazu einige Beispiele:

1. Eine Singgruppe/Chor wird von einem akustischen Klavier begleitet. Eine Querflöte und einige Solosänger wollen auch zeigen, was sie können. Technisches Equipment kann oder soll nicht verwendet werden. Das Klavier strahlt seinen Klang nach allen Seiten ab, die lauteste Stelle ist hinter dem Resonanzboden, also direkt beim Chor. Der/die PianistIn spielt voller Begeisterung, um auch am letzten Platz der Kirche noch gut hörbar zu sein. Die SängerInnen sind nach 15 Minuten heiser und ziemlich genervt.
Der/die Pianistin hört sich nicht wirklich gut, wenn der Chor singt, also wird das Klavier oben noch geöffnet.
Jetzt ist es für den Chor noch lauter und einige Chormitglieder entschließen sich, bei dem schönen Wetter doch lieber Tennis spielen zu gehen. Dadurch wird der Chor leiser, was das Klavier durch besondere Leistungen auszugleichen versucht. Erste geflüsterte Morddrohungen. Was nun?

Das Klavier kann mit relativ einfachen mechanischen Mitteln dazu gebracht werden, mehr in Richtung der Zuhörer/ des Pianisten/ der Pianistin zu strahlen. Dazu baut man sich aus Schichtholzplatten den in der Zeichnung I beschriebenen ‚Käfig‘, beklebt ihn an der Resonanzseite des Klaviers mit (hochwertigem: Musikhandel!) Akustikschaumstoff, malt alles schwarz an und stellt das Ganze in der beschriebenen Weise hinter das Klavier. Die Höhe der Konstruktion sollte 80 – 85 % der Klavierhöhe betragen, damit noch genug Klavierklang beim Chor ankommt. Durch die Dämpfung sind die SängerInnen etwas geschützt, durch die Reflektionen hört sich der/die Pianistin besser, der Klavierklang trägt weiter, der Käfig ist fast unsichtbar und das Ganze wird, zusammengeklappt, bei Nichtgebrauch neben der Weihnachtskrippe gelagert, bis man es wieder braucht. (Nebenbei: vergleichbare Konstruktionen helfen auch sehr gut bei SchlagzeugerInnen, TrompeterInnen und ähnlichen Krawallbrüdern/-schwestern!)
(siehe Zeichnung I a + b)

2. Eine Singgruppe/Chor wird von einem Elektropiano begleitet.
Hier gilt im Prinzip das Gleiche:
Relativ problemlos sind die o. g. ‚Wohnzimmerklaviere’. Sie strahlen alle mittleren und tiefen Frequenzen nach vorne-unten ab, das ist für den Chor unproblematisch. Die hohen Frequenzen werden über Hochtonlautsprecher nach oben übertragen:
perfekt! Leider hören zwar alle recht gut, aber der/die Pianistin hat wenig Spaß, weil dem Klavierklang ‚der Druck’ fehlt. Auch hier kann mit einfachen Reflektionsflächen unter dem Elektropiano experimentiert werden, bis der Sound perfekt ist. Alternativ wird dazu noch ein Aktivmonitor geschaltet.
(siehe Zeichnung II)

3. Eine Singgruppe/Chor wird von einem Stage-Piano begleitet. Hier wird der gesamte Klang, etwas dünn und ohne ‚Druck’ von den kleinen Lautsprechern nach oben abgestrahlt.
(siehe Zeichnung III)

Das ist prima für den Chor, er erhält alle wichtigen Musikinformationen in angenehmer Lautstärke.
Tolerante PianistInnen sind damit auch schon zufrieden. Wenn diesen der Sound nicht reicht, muss mit zusätzlichen (aktiven, d.h. eigenverstärkten) Monitorboxen nachgeholfen werden. Dabei haben sich, nach vielen Versuchen, zwei Lösungen besonders bewährt:
Die Aktiv-Monitorbox kann hinter dem Pianisten/ der Pianistin in ungefährer Sitzhöhe (nicht auf dem Boden!) angebracht werden. Dann kann sie relativ leise ‚gefahren‘ werden (wie die Profis sagen), der/die Pianistin hören sich perfekt und der Chor hört das Piano nicht zu laut. Der Monitor wird über die Ausgänge des Stage-Pianos (Line-Out, Kopfhörer) angeschlossen werden oder ggf. über ein Mischpult.
(siehe Zeichnung IV)

Luxuriös ist die Ausstattung mit zwei kleinen, hochwertigen (Computer-) Aktivboxen rechts und links am Piano (-Ständer) befestigt, die zum Pianisten/ zur Pianistin strahlen und damit auch zum Publikum. Bitte keine 15 Euro-Schätzchen mit 400 Watt PMPO, die produzieren nur Krach. Lasst euch im Fachhandel kompetent beraten und zahlt einige Euro mehr! Yamaha, JBL und andere Hersteller bieten so was an, wer reich ist, besorgt sich die 101-Boxen von Bose, die schaffen auch jede Gartenparty!
(siehe Zeichnung V)

Sollten die eingebauten Lautsprecher noch zu laut sein, helfen wieder Reflektionsbleche, die an der Piano-Karosserie angeschraubt (Vorsicht: Garantieverlust!) werden.
(siehe Zeichnung VI)

4. Soll es wirklich ein mit Mikrofonen verstärktes Klavier sein, so ist die Auswahl und die Position der Mikrofone entscheidend: Ein ‚normales’ (Upright-) Klavier braucht zwei Mikrofone, nicht zu nahe in die offene Klappe, ausgerichtet auf die Basssaiten (Dynamisches- oder Kondensatormikrofon) und auf die unteren Diskantsaiten (Kondensatormikrofon).

Die Mikros sollten Kugel (wenn das keine Probleme bereitet: Übersprechungen und/oder Rückkopplungen!) oder Nierencharakteristik haben. Wenn es möglich ist, sollten Trennwände Übersprechungen minimieren.
Ein Flügel kommt mit einem hochwertigen Kondensatormikrofon aus, nicht zu nahe mit offenem Deckel, der außerdem Chor und andere Instrumentalisten abschirmt. In Kirchenräumen haben sich Kleinmembranmikrofone bewährt (Bass ist immer reichlich vorhanden …!)
(siehe Zeichnung VII a + b)

5. Im letzten Falle wird eine Singgruppe/ Chor von einer Band begleitet und daher mit Mikrophonen verstärkt. Hier eine zufrieden stellende Lösung aufzuzeigen ist im Rahmen dieses Artikels nicht möglich. Damit bin ich fertig, den Punkt ‚gehört werden’ zu behandeln. Ludger und Willi machen jetzt gute Musik, weil sie sich und ihre Mitmusiker gut hören. Um den Rest kümmert sich ggf. der/die TontechnikerIn.

Ich hoffe, mit meinen Erfahrungen und Tricks in vielen Situationen helfen zu können. Viel Probieren hilft viel, viel miteinander reden wahrscheinlich noch mehr. Ich kenne ein bis zwei NGL-Projekte, die auseinander gingen, ohne jemals offen über ihre Schwierigkeiten geredet zu haben. Ich kenne einige ‚Piano‘-SpielerInnen, die sich nie zutrauten, NGLs zu begleiten, sich in die speziellen Aufgaben einzuarbeiten und Chöre, die jahrelang opferbereit schlecht begleitet) sangen.

Viel mehr kenne ich aber auch Menschen, die gemeinsam, im Gespräch und in der Übung, alle Probleme aus dem Weg räumten, mit Lust, Zeit und Geduld, um am Ende einfach zu ihrer Freude und zum Lobe Gottes zu musizieren. Also nicht vergessen: Es sollte (fast) immer sehr viel Spaß machen!

Felix Schonauer
Felix Schonauer hat neben eigenen Neuen Geistlichen Liedern auch zahlreiche Chorsätze geschrieben.
In seiner Sammlung „Aus meiner Werkstatt“ finden sich über 70 Chorsätze, Titel zu den Rubriken Kinderlied, Weltliches, Schonauer-NGLs und NGL-Bearbeitungen. Eine echte Fundgrube.
Das Chorwerkbuch „Aus meiner Werkstatt“ kann bestellt werden bei redaktion@musica-e-vita.de.


Erscheinungs-Informationen

Magazin-Ausgabe: Der Papst unter Polyphonen auf Seite 7

Sofern nicht anders vermerkt: © Musica e Vita e.V.