Magazinarchiv: 2005

NGL Theorie

Kriterien zu Analyse und Bewertung

Neue Geistliche Lieder auf dem Prüfstand
Zusammengestellt 1976 von einer Arbeitsgruppe des Arbeitskreises SINGELS im BDKJ im Erzbistum Köln. 1999 von Peter Deckert etwas überarbeitet.

Nach der großen Reihe in den letzten MeV-Magazinen von Dr. Peter Hahnen ‚Was ist ein NGL?‘ war es erst einmal ziemlich ruhig. Zumindest, was dieses Thema betrifft. Doch dann freuten wir uns, dass es doch einige KollegInnen gibt, die sich auch inhaltlich damit auseinandersetzen. Es kamen u.a. Anfragen nach den Kriterien des AK SINGELS in Köln zur Analyse und Bewertung von NGL.
Da lag nichts näher, als dass wir beim AK SINGELS nachgefragt haben, um Euch diese Kriterien nicht vorzuenthalten.
Vielleicht ist es auch für andere ein Ansporn, das eigene Repertoire daraufhin zu durchforsten.
Die Ergebnisse würden uns interessieren…

Inhalt und Aussage

Welche Aussage macht der Text?
(Versuchen, den Inhalt der einzelnen Strophen kurz wiederzugeben!)
Ist die Aussage logisch und verständlich?
(Die einzelnen Strophen durchgehen: Sind sie in sich und in ihrer Aufeinanderfolge stimmig und folgerichtig?
Führen sie die gewählte Thematik weiter?)
Ist die Aussage im Sinne der Verkündigung
a) richtig? und
b) wichtig?
Welchen Charakter hat der Text (meditativ, bekenntnishaft, erzählend, informativ, provokativ, witzig, verkündigend, liturgisch)?

Sprachliche Gestalt

2.1 Ist/hat das Lied ein(e)
a) einstrophiges Lied, Kehrvers, Kanon?
b) Strophenlied ohne Kehrvers (kurz, mittel, lang)?
c) Strophenlied mit Kehrvers (kurz, mittel, lang)?
d) Kehrvers mit gesungenen quasi Prosa-‚Strophen‘?
e) Litanei-Form?
f) durchkomponierte Form?
g) andere Form?
2.2 Ist die beabsichtigte inhalteliche Aussage sprachlich gelungen? Etwa: Ist die Sprache gut durchgeformt oder holprig? originell oder klischeehaft? heutig oder gestrig? kunstvoll oder simpel? natürlich oder geschraubt? emotional echt oder sentimental? allgemeingültig oder modisch? …?

Musikalische Gestalt

3.1 Ist die Melodie im Aufbau logisch und zwingend, d.h. hat sie einen musikalischen Bogen, bzw. eine sinnvolle, in sich stimmige Entwicklung innerhalb ihres Ablaufs?
Anders gefragt: Ist das Gleichgewicht der Töne genügend ausgewogen, so dass nicht einzelne Töne oder Tongruppen überstrapaziert werden und die Melodie dadurch spannungslos wird? Gibt es irgendwo schwache Stellen?
Ist die Melodie stilistisch einheitlich in sich selbst?
3.2 Zu jeder Melodie gehört der Rhythmus. Ist dieser zwingend und lebendig? Entspricht er dem Fluss der Melodie? Wirkt er organisch, d.h. der Melodie von Anfang an zugehörig oder ihr als Zutat aufgesetzt? (Hierbei besonders die Synkopen unter die Lupe nehmen!)
3.3 Ist die Melodie – als musikalischer Organismus bestehend aus Tonfolge und Rhythmus – originell, d.h. unterscheidet sie sich genügend von anderen, ähnlichen Melodien, oder bewegt sie sich in einem wie auch immer gearteten Klischee?
3.4 Wo ist sie stilistisch einzuordnen:
a) Kirchenlied traditioneller Prägung, mit/ohne Charakteristikum, d.h. trotz historischer Stilmittel von starker musikalischer Substanz oder von schwacher Imitation?
b) Kirchenlied neuerer Prägung, jedoch frei von Elementen der U- und Pop-Musik?
c) in der Nähe von (oder übernommen aus) Schlager, Jazz, Beat, Pop, Chanson, Song, Protestsong, Spiritual, deutscher oder ausländische Folklore, ‚Wandervogel‘, Schnulze, Parteimusik, diletantisches Niemandsland?

Musikalisch-sprachliche Kongruenz

4.1 Stimmen Text und Melodie in ihrem äußeren Ablauf
– Silbenbetonung (Haupt- und Nebensilben), Textschwerpunkte (inhaltliche!) auf rhythmische und melodische Schwerpunkte – miteinander überein? (Untersuchung aud der einzelnen Strophen!)
4.2 Entspricht die Melodie in ihrer musikalischen Atmosphäre der des Textes? Eine gute Melodie muss den Text in seiner Aussage unterstützen und wo möglich verstärken.
4.3 Bei der Übernahme einer Melodie mit ursprünglich anderem Text auf einen neuen Text: Ist sie gelungen? Klingt das Lied so, als seien Text und Melodie von jeher eine Einheit?

Singbarkeit und Funktion

5.1 Handelt es sich um ein Gemeinde-, Chor-, Kehrvers- oder Sololied?
5.2 Ist es ganz oder teilweise (Kehrvers) für Gemeinde oder Chor leicht erlernbar?
5.3 Wenn nicht: Rechtfertigt seine Qualität als ganzes trotzdem die Einübung?
5.4 a) Ist das Lied auch ohne Begleitung singbar?
b) Ist es an einen bestimmten harmonischen Satz gebunden?
c) Ist es an ein bestimmtes Instrumentalgewand (Orgel, Gitarre, Instrumentalgruppe, Schlagzeug) gebunden?
5.5 Ist es alters- oder sozialschichtenspezifisch? (Sprachbarrieren!)
5.6 Wo ist das Lied verwendbar (Gemeindemesse, Jugendmesse, Gemeinde- oder Jugend-Wortgottesdienst; außerhalb eines gottesdienstlichen Rahmens)?