Magazinarchiv: 2005

NGL Überregional

Zur Außenwahrnehmung des Neuen Geistlichen Liedes –
ein persönlicher Bericht von der Bundesfachtagung

Einmal im Jahr treffen sich Liedermacher und Liedmultiplikatoren aus Pastoral und Pädagogik zur Bundesfachtagung für das Neue Geistliche Lied. Über 50 Teilnehmer aus ganz Deutschland hatten sich vom 11.- 13. Februar in der Marienburg, hoch über der Mosel, versammelt, um Lieder vorzustellen und zu diskutieren. Das Leitungsteam rund um den Veranstalter Peter Hahnen (Arbeitsstelle für Jugendseelsorge in Düsseldorf)widmete den Schwerpunkt dem Thema Pressearbeit.

MACHEN DIESE ZEILEN NEUGIERIG?
Hätte ich diese Zeilen in die Zeitung stellen sollen? Der Referent dieser Bundesfachtagung Arnd Richter vom WDR würde daran schätzen, dass diese Zeilen einen Wert haben, weil sie auf etwas Aktuelles hinweisen und kurz und knapp die wichtigsten Informationen bieten. Die Presse braucht einen aktuellen Aufhänger.

RICHTIG INTERESSANT werden diese Informationen oder das Thema ‚Neues Geistliches Lied‘, wenn man sie mit Personen gestalten kann. Richter empfahl der Szene, zur besseren Kommunikation ‚Leuchttürme‘ aufzustellen. Wenn die Szene das nicht selber tut, dann erfindet die Presse ihre Leuchttürme selber: z.B. ‚Danke‘, ‚die Jünger von Jesus Christ Superstar‘, ‚Girls von der Jesus-Bar‘, etc., etc.
Das will ich versuchsweise tun und auch gleich mal übertreiben und ein paar Überschriften im Bild- Zeitungsstil zur Bundesfachtagung wagen:

Thomas Quast unter Strom: Das lassen wir uns nicht bieten.
Die Schließung der Kirchenmusikhochschule in Aachen treibt Thomas Quast die Tränen in die Augen. Dass ausgerechnet das wichtigste Institut, an dem am umfassendsten und kompetentesten Neues Geistliches Lied unterrichtet wird, geschlossen werden soll, ist dem Dozenten und erfolgreichen Komponisten des Liedes ‚Sei außer dir‘ unverständlich. Der umtriebige Kölner blickt auf eine Serie zahlreicher Abschluss- und Zentralgottesdienste (bei Katholiken- und Kirchentage) zurück, die er mit seiner Gruppe Ruhama gestaltet hatte. ‚Ohne das Gregoriushaus in Aachen hätten wir das nicht geschafft.

Gregor Linßen: Blockade!
‚Die machen mich fertig!‘
Völlig entkräftet, mit Thermoskanne ausgestattet, bleich um die Nase müht sich der Schöpfer des Weltjugendtagsliedes Gregor Linßen in gefassten Worten die verwirrenden Vorgänge um seinen Gewinnertitel zu erklären. Linßen ist der Schöpfer jenes Weltjugendtag-Liedes, das man in Rom zum Sieger des Wettbewerbs erklärt hatte, um es gleich von Linßen noch einmal neu komponieren zu lassen.
Die Leitung der Bundesfachtagung bemühte sich sehr, ihre Enttäuschung über die römische Vermarktung des Oratorienschreibers (Auf der Spur von Morgen) nicht in pure Empörung umschlagen zu lassen: ‚Die weiden den Gregor regelrecht aus!‘

Mattias Balzer: es gibt zu wenig Lieder! Für großes Aufsehen sorgte der Gastreferent Matthias Balzer, der über den aktuellen Stand des Gotteslobes berichtete. Natürlich sei die Zahl ’15‘ völlig unrealistisch. Das neue Gesangbuch wird sicher mehr als 15 Neue Geistliche Lieder enthalten. In gut platzierten Worten erinnerte er die teilnehmenden Komponisten und Textschaffenden an eine schmerzliche Lücke im Repertoire: wenn man die bestehenden und gängigen Liedbücher zur Auswahl heranzieht, gibt es zu manchen Themen (z.B. zum Thema Taufe) kaum Lieder. ‚Wir werden neue Lieder schreiben müssen!‘

Ich kehre wieder zum Bericht zurück:
Personen und Spannungen in die Öffentlichkeitsarbeit mit ‚Neuem Geistlichen Lied‘ einzubauen, muss nicht dazuführen, dass das NGL ‚draußen‘ besser verstanden wird. In meiner ‚erfundenen‘ Skandalpresse ist das NGL nur mehr Kulisse.

DER WDR-REDAKTEUR Arnd Richter warnte vor der falschen Hoffnung, dass sich die Medien unsere Vorstellungen von Qualität aneignen möchten. Das NGL bezieht, so hat die Bundesfachtagung in einen Selbsterklärungslaboratorium aufgelistet, seine Qualität unter bestimmten Voraussetzungen wie Gottesdienst und Spiritualität. Was uns am NGL wichtig ist, die aktive Auseinandersetzung mit Spiritualität, dem Verdichten von Liturgie, die ‚froh-machende/fröhliche‘ Kommunikation im geistlichen Raum, das ist bedeutungsvoll für unsere Szene, aber nicht unbedingt für die Redakteure der FAZ. Dort blickt man anders auf unsere Qualitätsdiskussionen und wir müssen befürchten, dass uns zu viel Presse eher schadet. Schlagzeile: ‚Finger weg!‘

(Es folgt eine Anmerkung des Berichtschreibenden):
Das ist für uns NGL-er nicht ohne Frustration einsehbar, weil wir ja seit Janssens in vielen Liedern singen ‚Finger drauf!‘. Das NGL speist sich nicht nur aus einer prophetischen Protesthaltung gegen religiöse Abgehobenheit, die sich gegenüber konkreter Not desinteressiert zeigt. Das NGL war für viele immer auch gesellschaftliches Politikum: das war nicht nur Gruppendynamik, wenn in Berlins U-Bahnen ‚Der Himmel geht über allen auf‘ gesungen wurde. Christen als Sauerteig in der Gesellschaft, dazu gehören diese ‚bekennenden‘ Lieder. Klammer zu.

Und demgegenüber meint Arnd Richter, dass wir uns besser darauf konzentrieren mögen, in der Regionalpresse durch gelungene Veranstaltungen auf gute Konzertkritiken hinzuarbeiten. Was zum großen Teil auch geschieht, wie Monika Cajkovac in ihrem Referat unterstrich.

KURZE HINWEISE aus dem Nähkästchen: ein Veranstalter muss sich um einen guten Kontakt zu Pressemenschen kümmern. Ein bisschen Pflege schadet nie.
Neben der ‚Pizza‘ ist es ausgesprochen hilfreich(er): auf wenigen Zeilen erst mal die notwendigsten Informationen anzubieten. Der Veranstalter, der was kommunizieren will, hat eine Bringschuld. Er bringt die Infos bei: Mit präzisen Formulierungen (also nicht auf 10 Seiten) transparent machen, was ist selbstverständnis, was ist die Zielgruppe, wo liegen die Akzente. Das ist dann auch der Ort, wo man auf weiterführende Gedanken auf der eigenen Homepage hinweist oder auf die Seite http://www.ngl.deutschland.de, wo man zum Selbstverständnis des NGL weitere Hinweise erhalten kann.

In Klammern: ich darf aus meiner eigenen Arbeit berichten: natürlich gibt es unbeleckte Journalisten, die unsere Veranstaltungen wie den Aufmarsch der ‚Halleluja-Schlümpfe‘ empfinden müssen. Aber wir Entzücklikanten haben auch schon erlebt, dass Journalisten während der Veranstaltung ihr berufliches Interesse mit persönlichem Interesse verbunden haben. Wenn die merken: das ist ja interessant, was die sagen; die meinen das wirklich; denen glaub ich das; dann kommen die schönsten Zeitungskritiken raus; Beispiele siehe unter http://www.entzuecklika.de/Presseecho.
Klammer zu.

ZURÜCK ZUM BERICHT: Der WDR-Redakteur Richter empfahl in seinem Referat ‚So tickt die Presse‘ um die Relevanz des NGL zu vermitteln, das NGL lieber in Fachzeitschriften zu platzieren. Legitim sei natürlich, die Medien, bzw. die Öffentlichkeit nutzen zu wollen, um das NGL gegenüber anderen innerkirchlichen Kräften besser aufzustellen (mit allen Folgen, die das haben kann). So kann man Kindergärten retten, warum nicht auch eine Kirchenmusikhochschule…

Fasst man Richters Aufruf zur Bescheidenheit zusammen mit den Beobachtungen der Referentin Monika Cajkovac zusammen, dann muss man zu dem Schluss kommen, dass das NGL mit seinem Status Quo eigentlich zufrieden sein kann.
Das war für uns ‚Halleluja-Schlümpfe‘ während der Fachtagung dann doch ernüchternd. Wir sind um die Erfahrung reicher, dass unsere Szene eben nur eine Szene ist. Darin sehe ich persönlich nun wiederum Chancen, Dinge entspannter anzugehen, gerade auch in der Vermittlung und Zusammenarbeit mit den Jugendlichen.

Die Gefahr, dass unsere Nähe zu himmlischen Dingen, auch falsche Themen in den Vordergrund rücken können, hat uns Pater Norbert Becker nochmals in Erinnerung gerufen in seiner Deutung des Evangeliums von der Versuchung in der Wüste: ‚Lasst euch nicht vermarkten!‘ warnte er die von mancher Aufgeregtheit besetzten Gottesdienstteilnehmenden.

LIEBE MUSICA-E-VITALEN, ich habe natürlich nur sehr ausschnitthaft berichten können, und nehme natürlich in Kauf, dass ich durch einen persönlichen Bericht vieles andere Spannende ausgeblendet habe. Wenn ich über die Leuchttürme berichte, bleiben andere im Schatten; für meinen Geschmack zu Unrecht. Zum Beispiel der stille Tod von NGL-fördernden Einrichtungen wie z.B. MusKath in der Diözese Trier oder Kooperationenen in Hamburg. Ihr könnt zur Vertiefung euer Interesse lenken z.B. auf die Homepage der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge.

Abschließend noch eine Headline:

Bayer lässt Dampf ab:
Der Schwabe mit den bunten Pullovern konnte sich nicht mehr zurückhalten: ‚Von wegen zu wenig Lieder: Ich beschwöre das Orakel: Jeder der hier Anwesenden hat schon mindestens ein Tauflied geschrieben. Sie sind nur schwieriger zu verbreiten, als die Sanctuslieder, aber wer suchet, der findet‘ Mit einer sibyllinischen Geste verwies der Liedermacher vom Ensemble Entzücklika den Gotteslobmenschen auf die Arbeitsstelle für Jugendseelsorge, dem Delphi des Neuen Geistlichen Liedes, wo Wahrnehmungslücken korrigiert werden können. Zufall?
Schicksal? Wie ein feierliches Amen erklang sofort darauf ein neues Tauflied von Kathi Stimmer-Salzeder. Der Gotteslobmensch seufzte besiegt: ‚Hätte ich doch lieber ein anderes Thema genannt als Taufe‘ …

Es wäre ihm nicht besser ergangen.