Magazinarchiv: 2002

Christliche Rock- und Popmusik ist leibfeindlich!

Interessante Aspekte finden sich in einem Artikel des Berliner Gemeinde- und Jugendpfarrers Rolf Tischer. Er wandelt ein altes afrikanisches Sprichwort ab und sagt: Willst du mit den Christen Mitleid haben, dann schau ihnen beim Tanzen zu!

Sich dessen bewußt, dass man nicht Äpfel mit Kartoffeln vergleichen darf, meint er: das, was von christlichen Bands oft hängenbleibt, ist das Gefühl, dass die Performance irgendwie leibfeindlich, moderner ausgedrückt: verklemmt, wirkt?

„Warum so wenig tänzerische Bewegung auf der Bühne? Warum so grüblerische Texte, die nur die Aufmerksamkeit des Kopfes auf sich ziehen? Warum so brave Klamotten, so geordnete Arrangements? Warum wird so wenig riskiert, warum ist alles so gesittet?‘ fragt er.

Die Rock- und Popmusik lebt doch eigentlich von dem Gefühl, dass jetzt ein Fest stattfindet, dass jetzt die Post abgeht. Tischer dazu: „Zu den Geschenken, die uns der Schöpfer Gott macht, gehören Sinnenfreude, Sexualität, Erotik, Spiel, Flirt, Begeisterung. Wenn unsere Musik zum Tanzen einlädt, dann ist sie genau das richtige Medium, diesen Gott dafür preisen. Warum spürt man bei Christen so wenig?‘

Die christliche Szene sichert sich nach allen Seiten ab und stellt sich dabei selbst ein Bein:

Text – deutsch und gut verständlich, christlich eindeutig, Musik – Mainstream, Auftritt -gottesdienst- und gemeinde-kompatibel, die Unterscheidung von der säkularen Szene muss deutlich sein.

Es ist schwer, Kopf und Bauch gleichzeitig anzusprechen. Wenn eine Botschaft da ist, dann muss sie rüber! Das geht dann am besten, wenn ich das, was ich rüberbringen soll auch rüberbringen will, wenn ich dahinter stehe. D.h. für die SängerInnen: sie müssen ausdruckstark, individuell und „anrührend‘, ja „anmachend‘ singen können.

Das gilt auch für die Musik. Dazu Tischer: „Die Sinnlichkeit kommt in die Musik, wenn ich sie beim Musizieren selbst erlebe – es überträgt sich alles: ob es mir gut geht, ob ich mich überfordere, ob mich die göttlich-musikalische Kraft beim Schöpf packt.‘

Was uns (meist) fehlt, ist die unbekümmerte Sinnlichkeit und die Echtheit, die spüren läßt, dass wir die Probleme auch wirklich haben, von denen wir singen.

Kommt dazu dann noch ein Text mit Geist, Poesie oder Humor, mit einer persönlichen Erfahrung, dann fällt es uns eventuell leichter, die Lust an dem, was wir da machen, spüren zu lassen…!