Magazinarchiv: 2001

Meine NGL-Erfahrungen.

Erinnerungen aus nasaler Perspektive


Ich habe den Geruch von Bohnerwachs und Atrix-Handcreme noch heute in der Nase:
ersterer stammte von der Putzkolonne, der zweite von meiner Lehrerin. Sie brachte uns das erste neue Lied bei. Wir I-Dötzchen sangen Schneider’s DANKE jeden Morgen zum Unterrichtsbeginn.

Eine terminologische Trennschärfe zwischen Schlager, Sacropop, NGL und gesungener Liturgie kam uns natürlich nicht in den Sinn. Wir sangen mit Schmackes, laut und gerne.

Weiter ging’s mit den Songs u.a. von Albrecht und Janssens, Fietz und Edelkötter. Bald roch es nach U-Bahn-Schächten, Gruppenunterkünften und Messehallen. Die Liederpraxis verwob sich mit Katholiken- und Kirchentagserfahrung. Unvergesslich ist mir wie 1980 beim Katholikentag in Berlin zigtausende Christen im Abschlussgottesdienst spontan gegen die Vereinigten Domchöre ansangen, weil wir endlich HERR, GIB UNS DEINEN FRIEDEN singen wollten, das offizielle Programm aber noch ganz traditionell gestrickt war. So wurden die Lieder als gesungene Losung eines Programms der Kirchenreform erlebt.

Die zur geballten Faust und zupackenden Hand passenden Songs bekamen stets eine weitere Stimme hinzugefügt: Taize und seine Musikwaren entdeckt. Es roch nach der Luftmatratze und der Zeltstadt im französischen Burgund.
In unseren Jugend-, Knast- und Straßengottesdiensten verwoben sich Lieder mit Lebensgefühl. Zuspruch und Appell, Selbstermahnung und Hoffnung bekamen Töne, Klänge, lockten zu neuen Formen – auch und gerade der Liturgie, waren aber auch die Begleitmelodie zu manchen sozialen Projekten unserer Pfarrjugend.

Später dann wurde aus der spirituellen und praktischen auch eine wissenschaftliche Leidenschaft. Der vorherrschende Geruch war der von Papier, Kopierer und Laserdrucker. Jetzt stimmen die Definitionen, Kriterien und akademisch abgezirkelten Konzepte. In Anhänge gar des GOTTESLOB hatten es die Lieder geschafft. Da kommt die spannende Frage: wie geht es weiter mit unserer Musik? Längst fragt man sich allenthalben, was nach dem NGL zu kommen hat.

Was bewegt? Was kann spirituell und praktisch belangreich werden und mit musikalischen Mitteln gemacht werden. Was ist dran? Schade wäre, es röche, wo es ums NGL geht, nach Staub aus dem Regal der Kirchengeschichte. Wir brauchen gute, neue Lieder. Ach, röche es nach Frühling!

Dr. Peter Hahnen

Dr. Peter Hahnen
Jg. 1963; Ausbildung zum Kinderkrankenpfleger und Diplomtheologen. Referent für Ministrantenpastoral und musisch-kulturelle Bildung bei der „Arbeitsstelle für Jugendseelsorge‘ der Deutschen Bischofskonferenz (afj) in Düsseldorf.
Zahlreiche Publikationen zum NGL, zu Fragen von Spiritualität, Liturgie und Kulturkritik Verfasser der ersten (und bislang einzigen) katholisch-theologischen Dissertation zum NGL („Das Neue Geistliche Lied als zeitgenössische Komponente christlicher Spiritualität‘, LIT-Verlag Münster 1998).