Magazinarchiv: 1997

Die normale Karriere einer Gemeindeband

Schon kurz nach der Gründung der neuen Gruppe in der Gemeinde erfährt der Pfarrer davon und ist von der Initiative begeistert. Nach einem halben Jahr ist es schließlich so weit.
Die Nachwuchsgruppe spielt Im Jugendgottes- dienst. Die eigenen Songs, die in der Gruppe gerade entstehen, sind leider nicht für den Gottesdienst geeignet. Also übt die Truppe noch schnell vorher einige Mitsinglieder – geht ja scheinbar auch mit links -. Leider klingt es dann dementsprechend „linkisch‘.

Der große Tag kommt. Die Akustik der Kirche ist schwierig, niemand versteht den Liedertext. Das Mitsingen der Lieder will nicht so richtig gelingen. Der Mesner versteht den ganzen Aufwand nicht und keiner kann es ihm erklären. Die Gruppe ist hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt. Am Ende ist der Pfarrer frustriert, weil er doch mit moderner Musik Jugendliche begeistern wollte und nun feststellen muss, dass es nicht geklappt hat, weil die Musik zu schlecht war. Aber auch Musiker/in-nen sind enttäuscht, well sie erkennen mussten, dass hier eine ganz andere Art von Musik gefordert wurde, als sie eigentlich in ihren Proben immer übten. Nach weiteren ähnlichen Erkenntnissen kommt die Gruppe zur Einsicht, dass sie nicht wieder im Gottesdienst spielt und sich stattdessen auf Konzerte konzentriert.
Die Nachwuchsförderung im Gemeindealltag??
Sicher, die beschriebene Praxis ist gängig und weit verbreitet. Aber muss das immer so bleiben? Wie wäre es, wenn Verantwortliche in der Jugend- und Gemeindearbeit durch ihre Initiative die »Karriere‘ einer normalen Gemeindeband umdrehen würden?

Schon kurz nach der Gründung der neuen Band in der Gemeinde erfährt der Pfarrer davon und ist von der Initiative begeistert. Immer wieder treffen sie sich, um die Fortschritte im Probenraum zu besprechen und an manchen Texten zu feilen. Schließlich ist es nicht ganz so einfach, eigene Glaubenserfahrungen in Liedertexte so umzu- setzen, dass andere Menschen es verstehen. Das merkt auch der Pfarrer und er gibt es bald auf, kleine Paul-Gerhardt’s aus ihnen zu machen. Stattdessen versucht er im Gespräch mit ihnen die Aussagen ihrer Lieder so zu gestalten, dass sie im Einklang mit dem Neuen Testament stehen.

Nach einem halben Jahr ist es soweit.
Die Gemeinde veranstaltet ein Konzert für ihre Nachwuchsgruppe! Im großen Saal des Gemeindehauses wird schon seit Tagen aufgebaut und vorbereitet. Nicht nur die Gruppenmitglieder sondern auch ihre Freunde und Bekannten helfen mit. Am Abend des Konzertes kommt von der Oma über die Patentante bis hin zur Freundin alles, was Rang und Namen hat. Die Musik ist nicht perfekt, aber die Stimmung ist super. Am Ende des Abend steht fest, nächstes Jahr gibt es das nächste Konzert. Nach einigen Jahren ist die Gruppe so gereift und gefestigt, dass sie souveräner mit der Technik und der Musik umgehen kann. Immer wieder haben sich in der Vergangenheit auch einzelne Bandmitglieder an Gottesdiensten musikalisch beteiligt. Dadurch haben sie ein besseres Verständnis für die inneren Abläufe eines Gottesdienstes bekommen. Und irgendwann gestalten sie als ganze Gruppe auch die normalen Gottesdienste der Gemeinde mit. Die Akustik der Kirche ist immer noch schwierig, aber beherrschbar. Die Liedertexte werden verständlich, weil die Sänger intensiv an ihrer Gesangstechnik gearbeitet haben. Das Mitsingen der Lieder macht Spaß, weil die Gruppe gelernt hat, sich auf ihr Publikum einzustellen. Am Ende resümieren der Pfarrer und die Bandmitglieder, dass es sich gelohnt hat, in die Gruppe zu investieren, ihnen Zeit zum Wachsen und Reifen zu geben und gleichzeitig die Möglichkeit, durch Konzerte im gemeindlichen Rahmen ihnen auch ein öffentliches Interesse zukommen zu lassen. Nur ein Traum?

von Friedrich Rößner, Referent für Jugend- evangelisation und Bandarbeit (Nürnberg) entnommen aus:
Musik & Message 4/97. Der Rundbrief der Arbeitsgemeinschaft Musik in der evangelischen Jugend in Bayern


Erscheinungs-Informationen

Autor: Friedrich Rößner
Magazin-Ausgabe: 1998 auf Seite 9

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