Magazinarchiv: 2000

drunter & drüber: Chorsatz leichtgemacht

3. Grundtöne & Leittöne


Heute wollen wir unser Erlerntes aus den ersten beiden Workshops erweitern. Unsere Basis-Harmonie (2. Teil) ermöglicht uns, einen Akkord auf einem Grundton aufzubauen (1., 3. und 5. Ton der Tonleiter auf diesem Ton), unsere Lineal-Methode (1. Teil) ermöglicht uns, eine einfache Über- und Unterstimme zu finden.
Heute wollen wir einige interessante Eigenschaften der Harmonielehre für unseren Chorsatz nutzen. Wir definieren genauer Grundtöne und sog. Leittöne und bauen diese in unseren Chorsatz mit ein. Ich möchte Euch bitten, die Übungen mit Bleistift und Papier mitzumachen, denn erst durch eigenes Üben lernt man und erkennt, wie einfach es tatsächlich ist. Einen ersten Schritt in Richtung Improvisieren (Schwerpunkt 4. Teil) machen wir mit der Methode, Geraden zu durchbrechen. Viel Erfolg mit den ersten selbstgemachten DrDr-Stimmen (DRunter &DRüber).

Zunächst einmal eine kleine Melodie. Es sind die ersten vier Takte aus einem NGL.

Sehr einfach, aber für unsere Zwecke genau richtig. Was wir brauchen, haben wir:
Eine Melodie und die Akkorde. Jetzt machen wir im Schnelldurchgang unsere Lineal-Methode für die DrDr-Stimmen (Drunter&Drüber). Zuerst werden die betonten Noten (auf Schlag 1 sowie auf jeden Harmoniewechsel) durch die Noten ergänzt, die im jeweiligen Akkord direkt drunter und drüber stehen.

Gibts dabei Probleme? Dann bitte nochmals Workshop Teil 1 und 2 durcharbeiten. Die fetten Noten sind unsere ergänzten Noten. Diese werden jetzt mit dem Lineal verbunden.

Jetzt setzen wir auf die Linien bzw. möglichst dicht daneben Noten aus dem jeweiligen Akkord. Ich habe es unten bereits ausgeführt. Senkrechte Striche markieren die Stellen, wo wir dabei Überschneidungen haben, also dort, wo die Noten auf oder neben den Linien die gleichen Noten sind wie die der Hauptmelodie. Da habe ich die nächst höhere bzw. nächst tiefere Note aus dem Akkord genommen.

So. Jetzt haben wir schon einen einfachen Chorsatz.
Zur Wiederholung: Ich meine hier keinen klassischen vierstimmigen Satz, sondern einen wesentlich brauchbareren harmonischen modernen Satz, bei dem die Hauptstimme die wichtigste Stimme bleibt und weitere Stimmen diese Hauptstimme harmonisch ergänzen. Also einen Satz, wie er in jedem modernen Lied im Radio verwendet wird (Ausnahmen gibts natürlich).
Jetzt wollen wir diesem einfachen Chorsatz mehr Wohlklang verleihen. Dazu schauen wir uns an, was uns Harmonie-Übergänge, also Akkordwechsel, bieten. Da sind die sog. Leittöne. Leittöne sind Töne, die direkt zu einem anderen Ton hinleiten, also nur einen Ton über oder unter diesem Ton liegen.
Im musiktheoretischen Sinn sind es eigentlich Noten, die einen Halbton unter dem Grundton liegen. Aber das wollen wir zunächst unberücksichtigt lassen und unsere Definition eines Leittons verwenden.

Wann können Leittöne auftreten? Immer dann, wenn ein Harmoniewechsel vorliegt. Also ein Übergang von einem Akkord zum nächsten. Dann kann die Note unmittelbar vor demAkkordwechsel ein Leittonsein. Es gibt zwei verschiedene Leittöne, die akkordeigenen und die akkordfremden Leittöne.
Die akkordeigenen Leittöne sind Noten, die im ersten Akkord vorkommen, akkordfremde Leittöne kommen eben nicht im ersten Akkord vor.
Was sind nun Leittöne genau? Schauen wir uns unser Lied und die darin enthaltenen Akkordwechsel genauer an und suchen zunächst die akkordeigenen Leittöne. Wir haben die Harmonien C-F-G-C. Ich habe die jeweiligen Akkorde aufgeschrieben (fett) und mit den Noten (grau) ergänzt, die durch Umkehrung der Akkorde entstehen (also Noten, die eine Oktave höher oder tiefer sind).

Ich markiere jetzt die jeweiligen Grundtöne des Akkordes. Beim C-Akkord ist das C, beim F-Akkord F…

Jetzt suche ich in einem Akkord den Ton, der unmittelbar neben dem Grundton des folgenden Akkordes liegt. Beim Akkordpaar C-F ist der Ton E direkt neben (also nur einen Ton entfernt) vom Grundton F. (Richtig! Auch G ist nur einen Ton vom Grundton entfernt und somit ein Leitton.) Beim Akkordpaar F-G ist F unmittelbar neben dem Grundton G (auch das A ist ein Leitton).


Erweitern wir nun unseren Begriff des Leittons und wenden ihn auf alle Töne innerhalb eines Akkordes an, die unmittelbar neben (also einen Ton entfernt) von einem Ton des nachfolgenden Akkordes liegen. In unserem Beispiel habe ich das Akkord-Paar C-F aufgeschrieben und jeweils die Noten fett geschrieben, die eine Leitton-Beziehung haben.

Die gleichbleibenden Noten sindkeine Leittöne, weil sie mich ja nicht zu einem anderen Ton hin-leiten, sondern mich zum Bleiben einladen.
Hier nochmal die Liste aller unsererAkkordpaare C-F, F-G und G-C und deren Leitton-Beziehungen.

Zusätzlich nehme ich die Töne hinzu, die direkt zum Grundton des nachfolgenden Akkordes hinleiten. Diese Töne müssen nicht im Akkord der vorangehenden Harmonie sein. Wenn sie nicht im Akkord der vorangehenden Harmonie sind, spricht man auch von akkordfremden Leittönen. Also zusammenfassend: Leittöne sind Töne des ersten Akkords, die in unmittelbarer Nachbarschaft der Töne des zweiten Akkords liegen und die Töne, die unmittelbar neben den Tönen des zweiten Akkords liegen.

Jetzt sind wir also bereit. Wir nehmen den einfachen DrDr-Satz und suchen uns die Stellen, an dessnen Leittöne stehen können – also die Stellen, die unmittelbar vor einem Harmoniewechsel sind. In unserem Fall ist das jeweils vor dem Taktwechsel.

Ich hab die Drüber- und Drunterstimme einzeln notiert und die Stellen mit Kreis versehen, an denen wir Leittöne einsetzen können. Außerdem habe ich bereits einige Noten verschoben.
Im einzelnen:

  • H statt C, da H ein Leitton für das im F-Akkord vorhandene A ist.
  • A ist Leitton für das G. Passt.
  • Hier werde ich ein A schreiben als Leitton für das im C-Akkord.
  • E ist Leitton für F.
  • C ist Leitton für das H.
  • H ist Leitton für C.

Unsere Linealmethode hat also bereit einige Leittöne hervorgebracht. Wir haben nur zwei Töne angepasst. Diese Anpassung klappt in der Regel immer. Ich kann an den entsprechenden Stellen (direkt vor dem Harmoniewechsel)
Leittöne statt der Töne setzen, die meine Lineal-Methode hervorbrachte.

Aber wir wollen noch einen Schritt weitergehen. Unsere Linealmethode hat den Nachteil, daß sie viele Geraden hervorbringt. Selbst beim Einsatz von Leittönen haben wir so viele eintönige (im wahrsten Sinn des Wortes) Stellen. Diese umgehen wir mit unserer ‚Brich die Geraden‘-Methode.
Wir nehmen uns wahllos Stellen heraus, an denen mehrere gleiche Töne hintereinander stehen. An ein oder zwei beliebigen dieser Stellen picken wir uns Töne heraus und ersetzen diesen durch den Ton, der im Akkord unmittelbar darüber oder darunter steht (im Akkord, nicht in der Tonleiter!).

Ich habe die Stellen mit einem Dreieck versehen und die Richtung angedeutet, in der ich die Note versetzt habe.

  • Aus C wurde das, im F-Akkord darunterstehende A.
  • Aus G wurde ein im G-.Akkord darüberstehendes H.
  • Aus F wurde das im F-Akkord darunterstehende C.
  • Aus C wurde A.
  • Aus H wurde G.

Ob ich mit meinem Ersatzton nach oben oder unter gehe, liegt zum einen an der Singbarkeit der Stimmen (nicht zu hoch oder zu tief werden), zum anderen an möglichen Überschneidungen mit der Hauptstimme. Ich will ja Mehrstimmigkeit und nicht Gleichstimmigkeit (natürlich ist auch das ab und zu erlaubt – wie im Beispiel bei 1).
So, und hier ist unser Chorsatz für die ersten vier Takte.

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Links zu fortführenden MeV-Artikeln zum Thema: ‚drunter & drüber‘

Ausgabe 2/99:
Chorsatz leichtgemacht

Ausgabe 3/99:
Harmonie und Theorie

Ausgabe 1/00:
Grundtöne & Leittöne

Ausgabe 3/00:
Improvisieren

Ausgabe 1/01:
Und jetzt mit Pepp!

Ausgabe 3/01:
…und noch mehr Pepp!