Magazinarchiv: 2000

Techno im Gottesdienst

Höllischer Lärm um himmlische Lieder?

Techno-Musik in der Kirche? Nein Danke!
Die einen lehnen sie ab: viel zu laut für die Kirche, nervtötende, überhaupt nicht kirchliche Tanzmusik.

Techno-Musik in der Kirche?
Ja Bitte!
Die anderen wünschen sie sich: endlich eine aktuelle Musikform, die den Gottesdienst für Jugendliche ansprechender macht.

Seit einige evangelische Pfarrer mit sogenannten „Techno-Gottesdiensten“ für Aufsehen gesorgt haben, wird auch über die Kirchenwürdigkeit dieser Musikrichtung gestritten.

„Techno“: Was ist das eigentlich?

Die Bandbreite von dem, was man so landläufig als „Techno“ bezeichnet, ist groß und geht fließend in verschiedenste Musikrichtungen über. Man könnte „Techno“ vielleicht kurz und allgemein so beschreiben:

  • Elektronisch entworfene
    und gespielte

  • rhythmische Musik im 2er-Takt,
  • basierend auf einem sehr dominanten Viertel-Grundschlag,
  • im Tempo 120 bis 240 bpm (= Schläge pro Minute).
  • Endlose Wiederholungen kurzer Melodien oder Klangmotive,
  • nur in der Klangfarbe oder Begleitung variiert,
  • größtenteils instrumental,
  • und wenn gesungen wird, dann nur kurze, sehr einfache Melodien (fast wie Kleinkinder-Lieder).
  • Umfangreichere Texte sind grundsätzlich gesprochen (Rap, fließender Übergang zum „Hip-Hop“).

Techno ist meist ein reines Studioprodukt, kaum von Gruppen, sondern von Einzelpersonen am Computer entworfen.
In den Diskotheken kommt diese Musik entweder direkt von der CD, oder wird von sogenannten „DJ“s aus vorprogrammierten Teilen zusammengemixt. Diese „DJ“s sind normalerweise auch die Stars dieser Branche (z.B. DJ Bobo).

„Techno“: einfach zu machen

Technomusik kann man auf zwei Weisen selber machen:
Auf dem PC programmieren und per Midi-Verbindung mit Keyboards abspielen. Dafür gibt es schon eine Reihe mehr oder minder brauchbarer Programme im Handel.
Vorteile dieser Methode: Übersicht am Bildschirm, Möglichkeit des „Samplings“ (vorgefertigtes Material einzubeziehen) und große Klangauswahl (je nach Abspielinstrument).
Nachteil: Live-Spiel (z.B. in der Kirche) ist kaum möglich:
Man müßte die ganze Computer-Anlage mitnehmen.

im Sequenzer eines programmierbaren Synthesizers einspielen.
Vorteile: leicht transportierbar für Live-Auftritte, Improvisation möglich.
Nachteile: beschränkte Möglichkeiten an Klängen und Stimmen, das Sequenzerdisplay ist meist sehr klein und unübersichtlich.
Bei beiden Möglichkeiten gilt: Ein guter Computer macht noch lang keine gute Musik! Auffällig ist oft der große technische Aufwand für primitive Stücke.

„Techno“: unheilige Musik?

Zwei Hauptgründe nennen viele Kirchenmusiker, Techno für die Kirche abzulehnen:
Im Gegensatz zu Orgel oder Gitarre oder der menschlichen Stimme ist elektronische Musik künstlich erzeugter Klang.
Techno wird hauptsächlich als weltliche Tanzmusik zum Vergnügen verwendet.

Zum ersten: Klänge sind immer Schwingungen der Luft, egal auf welche Weise man diese Schwingungen erzeugt. Und diese Schwingungen sind wertneutral: Man kann sie einsetzen, um Gott zu loben oder zu verfluchen. Das gilt für alle Klänge, auch für die menschliche Stimme.
Zum zweiten: Auch die Gitarre und die menschliche Stimme werden für weltliche Unterhaltungsmusik verwendet. Und in der Kirchenmusik gibt es viele Beispiele von Übernahmen aus volkstümlicher oder profaner Musik.

„Techno“: für den Gottesdienst geeignet?

Manches spricht dafür:

  • Die einfachen Melodien lassen sich von der Gemeinde leicht lernen und mitsingen.
  • Die endlosen Wiederholungen wirken meditativ.
  • Der Viertel-Grundschlag geht ins Blut und spricht den Normal-Besucher mehr an als komplizierte Rhythmik oder „taktlose“ Choräle.
    Manches spricht dagegen:

  • Die endlosen Wiederholungen können auch langweilen und das Musikstück, und damit auch den Gottesdienst, zu sehr in die Länge ziehen.
  • Programmierte Musik ist für das Live-Spiel wenig geeignet und fordert viel technischen Aufwand.

Die oft kritisierte Lautstärke aber läßt sich regeln: Techno muß nicht fürchterlich laut sein.

Alles in allem kann man sagen: Den Gottesdienst nur mit Techno-Musik zu gestalten, ist praktisch sehr schwierig und würde viele Gottesdienstbesucher abschrecken.
Als würzende Zugabe aber kann Techno-Musik einen Gottesdienst bereichern, besonders als Hintergrundmusik für Gabenbereitung oder Kommunion, oder als „Rausschmeisser“ am Schluß des Gottesdienstes.
Doch wie für alle anderen Musiksorten im Gottesdienst gilt: Einfach irgendein bekanntes Stück mit dem CD-Player abspielen, bringt es nicht. Wenn Techno, dann Live-Techno mit dem eigenen Synthi und Stücke, die für den Gottesdienst und seine Inhalte geeignet sind.
Es gibt zwar schon eine ganze Reihe Produktionen mit christlichen Inhalten (z.B. dba, Datura, Synergy…) oder christlichen Anleihen (z.B. Gregorianik-Bearbeitungen), aber direkte Techno-Stücke für den Gottesdienst sind bisher recht selten. Das wäre aber eine reizvolle Aufgabe für Computer- und Keyboard-Freaks.