Magazinarchiv: 1995

NGL und die klassische Kirchenmusik

Ergebnisse einer Tagung

Burg Feuerstein. Eine Arbeitsgruppe bei der überdiözesanen Fachtagung ‘Neues Geistliches Lied’ befaßte sich mit dem Spannungsfeld ‘Klassische Kirchenmusik und NGL’. Einige Aspekte der Diskussion und die Ergebnisse der Arbeitsgruppe werden im folgenden zur Anregung dargestellt …
Anhand einiger Thesen wurde deutlich, daß die Chancen der NGL, in den Gemeinden integriert zu werden, entscheidend davon abhängen, ob und in wieweit sie von den hauptamtlichen Kirchenmusikern akzeptiert und eingesetzt werden.
Dabei spielen die Gründe der Parität von Altem und Neuem entsprechend der Altersstruktur der Gemeinden bei weitem nicht mehr die Rolle, die ihnen zugedacht wird. Viele erwachsene Kirchgänger ‘schreckt’ diese neue Art der liturgischen Musik schon lange nicht mehr, ganz im Gegenteil: viele wünschen sich die dadurch lebendiger werdenden Gottesdienste viel öfter.
Die Kirchenmusiker, gemeint sind die hauptamtlichen, sind aufgrund ihrer guten Ausbildung durchaus in der Lage, auch mit der Orgel solche Lieder zu begleiten. Daß dabei oft der Groove auf der Strecke bleibt, liegt nicht zuletzt daran, daß einschlägige Erfahrungen mit Bands und entsprechenden Spieltechniken und -weisen nicht vorhanden sind und auch nicht eingeholt werden. Ein anderer Grund ist natürlich auch das Instrument. Die Orgel ist für einen ganz anderen musikalischen Einsatz konzipiert.
Als regelmäßiger Besucher des sonntäglichen Gottesdienstes weiß man, daß der Organist hinter seinem Spieltisch, hinter und über den Gottesdienstbesuchern, manchmal ganz schön mit der Volksletargie zu kämpfen hat, und das sogar bei den gängigen Liedern aus dem Gotteslob. Wie viel schwerer ist es da, auch noch NGLs von diesem Platz echt und glaubwürdig `rüberzubringen. Eine Band oder ein Jugendchor hat es da schon einfacher. Sie singen und spielen von vorne und haben auch noch die Möglichkeit, die rhythmischen Besonderheiten durch entsprechende Instrumente zu unterstützen. Es ist eine Riesenchance, die durch das ‘Von-vorne-Singen’ genutzt werden kann, die allerdings auch des öfteren zu konzertanten Verhaltensweisen verkommt und dadurch vieles zerstört. Dieser ‘Standpunkt’ ermöglicht ein ‘Mit-Euch-singen’, daß dem Organisten in dieser Form nicht möglich ist.
Kurz und gut, das Ergebnis der Diskussion war ein Entwurf für ein ‘Anforderungsprofil für alle Kirchenmusiker’ – die Ausgebildeten und die Laien, die Klassischen und die des NGL:
Die/der KirchenmusikerIn sollte

  • interaktive Fähigkeiten haben, d.h. mit Gruppen (jeden Alters) arbeiten können, mit Kirchenchören genauso wie mit Jugendbands und einer Kinderschola
  • musikalische Toleranz und Akzeptanz an den Tag legen, auch wenn die Musikrichtung nicht die eigene und bevorzugte ist …
  • einen Überblick über die Bedürfnisse des Chors, der Band, des Ensembles auf der einen und der Gemeinde auf der anderen Seite haben
  • um eine liturgische Integration bemüht sein
  • zur Relativierung von ‘Perfektion’ fähig sein (Das Bestmögliche mit den zur Verfügung stehenden Personen und Mitteln erreichen! – d.h. auch: Abstriche machen …)
  • zu ständigem Lernen bereit sein (auch technisch, liturgisch, pastoral)
  • Basisarbeit mit allen Interessierten betreiben
  • um eine sorgfältige Auswahl von Liedern bemüht sein

Daraus ergeben sich einige Forderungen für die Aktiven auf dem Gebiet des NGL, nämlich

  • ‘ernsthaftes Arbeiten’ an Neuen Geistlichen Liedern
  • Vorgedanken zu den Liedern bei der Auswahl und beim Einstudieren
  • auch die ‘alte Musik’ muß interessant gemacht werden
  • die Mitglieder der Bands und Jugendchöre müssen sensibilisiert werden für die Dinge, die außerhalb der Gruppe geschehen
  • Wiederholung der neuen Lieder in den nächsten Gottesdiensten, damit langsam ein gängiges Repertoire von NGL entsteht
  • angepaßte Lautstärke und angepaßtes Verhalten bei der Gestaltung von Gottesdiensten
  • Verstehbarkeit und Singbarkeit der Texte und Lieder
  • auf mögliche Gemeindezugehörigkeit der Ausführenden achten (d.h. nicht, daß nicht auch mal eine Gruppe von außen kommen soll)

Die Anforderungen an die klassische Kirchenmusik könnte lauten
Trennung von Organisten- und Chorausbildung

  • Begleitung von NGLs auf der Orgel nach Noten und mit den Erfahrungen aus einer Band
  • Toleranz und Offenheit für das NGL

Diese Liste kann nicht umfassend und auch nicht länger sein, da von den Anwesenden nur zwei Teilnehmer aus der Reihe der ausgebildeten Kirchenmusiker waren – der Bedarf bzw. das Interesse an NGL ist anscheinend nicht größer … (Die Gründe hierfür wären interessant!)
Die daraus entstehenden Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen den Fachleuten der klassischen Kirchenmusik und den engagierten und oft jungen Aktiven des NGL könnten z.B. in gemeinsam gestalteten Gottesdiensten münden, in denen sich die Gruppen und die Lieder beider Richtungen zu einer für die Gemeinde fruchtbaren Einheit verbinden.
Es bleibt abzuwarten, was sich da entwickelt! MeV bleibt jedenfalls am Ball und würde gern über gelungene (und nicht gelungene) Formen der Zusammenarbeit berichten. Bitte schreibt an die Redaktion !